Wenn mir etwas auf das sonnige Gemüt schlägt, dann ist das die Aussicht auf einen Aufenthalt in einem Kaufhaus. Es soll ja Menschen geben, denen solche Perspektiven auf Konsum das Herz höher schlagen lässt und der Akt des Einkaufs eine ganze Reihe Botenstoffe aktiviert, die sonst Sex, Koks oder Joggen zur Produktionsanregung brauchen.
Bei mir wird jedoch die Produktion von diesen diametral entgegen stehenden Stoffen geweckt, wenn meine bessere Hälfte mich mit einer Mischung aus Abscheu und Ekel betrachtet: Ich müsse dringend neue Bekleidungsstücke am Körper tragen, da die alten nicht mal mehr in die Altkleidersammlung könnten.
Für gewöhnlich sitze ich Solcherlei jedoch aus und kann so das eine oder andere Jahr heraus holen, ohne einen Kaufgang anzutreten.
Auch gemeinsam, also für meine Frau, ziehe ich seit Jahren nicht mehr in die Einkaufsschlacht, da ich in solchen durch aktive Teilnahmslosigkeit und Freudlosigkeit eher wehrkraftzersetzend wirke. Mangels Vokabelreportoir beschränken sich meine Kommentare auf: “Hm hm, okay!”, “Hm hm, ich glaub, ganz gut!”, “Hm hm, nimm das doch!” und “Hm hm, nee, kannst du nehmen. Das passt wie angegossen. Brauchst keins mehr anzuprobieren!”.
Dies geschieht aber nicht mit Vorsatz, vielmehr kann die schlechtere Hälfte einfach kaum Unterschiede in Kleidungsdingen ausmachen und sie vor allen Dingen nicht formulieren. Wobei ich gestern gelernt habe, dass man dann auch sagen soll, dass durch dieses oder jenes Oberteil die Arme besonders gut zur Geltung kommen, wenn das Oberteil kurze Ärmel hat. Dabei darf man natürlich nicht erwähnen, dass es ja noch mindestens 50 andere Fummel mit kurzen Ärmeln zu Hause im Kleiderschrank gibt, die gleiches tun, und dass es bei der Kleiderwahl am Morgen in Zukunft noch schwerer fällt eine Wahl zu treffen. Wenn Fidel Castro sich einen Vollbart wachsen ließ, weil er die Zeit für die Rasur sonst nicht für die Revolution aufbringen konnte, weiß ich auf jeden Fall, warum viele Frauen keine Zeit für Mann, Kind und Karriere haben.
In meinem Teil meines Schrankes verweilen hingegen 95% meiner Kleidung, ohne bewegt zu werden. Und anders herum trage ich 95% der Zeit in meinem Leben die 5% Kleidung, die im natürlichen Prozess – vom Schrank auf den Körper, über den Stuhl, wieder angezogen, in die Waschmaschine und wieder zurück -, wechselt.
Der sukzessive Zerfall der 5% stößt bei meiner Frau auf so wenig Gegenliebe, dass sie sich gelegentlich dazu verpflichtet sieht, mir Kleidung von ihren Shoppingtouren mitzubringen. Ich weiß dann zu sagen, sie gefalle mir und hänge sie zu den 95% in meinem Teil des Schrankes. Zu Familienfeiern werden sie dann heraus geholt, damit ich mir nicht vorwerfen muss, sie hätte das alles umsonst getan. Schließlich, und da bin ich dann lieber ehrlich, könnte ich die 95% auch in die Altkleidersammlung geben. Wenn ich nicht alle vier bis fünf Jahre ein abgenutztes Kleidungsstück austauschen müsste, würden die 95% nie bewegt.
Das Problem ist nur, dass bei entsprechender Zirkulation der aktuelle Inhalt meines Teiles des Schranks bis zum Jahr 2074 reicht, also bis nach meinem 105. Geburtstag. Da diese Tendenz ja steigend ist, war ich mit dem letzten Paket Kleidung und dem Kassenbon in der Stadt, um es umzutauschen. Dabei versprach ich meiner Frau, mich nach neuer Kleidung umzuschauen.
Nun denn, der Umtausch bei Peek und Cloppenburg hat reibungslos geklappt: Das Geld war ratzfatz wieder auf dem Konto. Aber sind wir mal ehrlich: Wer kann, angesichts eines solchen Überangebots an Ware, eine Kaufentscheidung treffen. Ich auf jeden Fall nicht. Und bevor ich noch Kopfschmerzen bekam, verließ ich die Stadt nach fünf Minuten Aufenthalt und fühlte mich sauwohl, keine Tüte zu tragen. Ist ja irgendwo auch peinlich, mit einer Tüte neuer Kleidung gesehen zu werden. Das wäre mir auch unangenehm gewesen.
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