Im Buch muss ich jetzt notgedrungen schon mal einen Sprung machen, da ich den Fragenkreis 3 berühre und die Wirksamkeit im Unterricht testen möchte. Horst hat sich schwer verliebt und versucht Amba zu beeindrucken. Die ist das in gewisser Form auch …
Thematisch geht es um die Frage nach dem guten Handeln und inhaltlich um “Wahrhaftigkeit und Lüge”. Orientiert habe ich mich am Praktische Philosophie Buch 1 aus dem Cornelsen Verlag. Dies kann auch gerne mit seinem Bildmaterial zu Mimese und Mimikry (s.68) und zur Differenzierung für stärkere SchülerInnen herangezogen werden (S. 69).
Für ein begleitendes Lesen nach dem Lüneburger Modell zur Leseförderung von Steffen Gailberger, habe ich hier den Text eingesprochen.
Für den Unterricht ist es zunächst interessant, ob die zunächst genannten Beispiele aus Horsts Klasse geeignet sind, um von Lüge zu sprechen. Eine Abgrenzung zwischen den Beispielen aus Horsts Klasse, die in gewissen Varianten immer etwas mit Anthromorphismus zu tun haben, wäre eine differenzierende Frage.
Die Beispiele Mimese und Mimikry lassen sich mit schönem Bildmaterial (davon ist das Netz voll) dazu einsetzen, mit eigenen Worten zu beschreiben, wie verschiedene Tiere sie anwenden. Das wäre eine Erweiterung der Methoden- und Sachkompetenz.
Der Bezug und die Anwendung der Begriffe Mimese und Mimikry auf den Menschen ist in der Geschichte angedeutet. Hier lassen sich Gründe finden, warum Amba ihre Umwelt auch gerne täuschen will. Selbstverständlich haben die Schüler auch eigene Situationen, in denen sie sehr gerne unsichtbar wären. Und viele Jungs wünschten sich sicher auch manchmal die Fähigkeit der Mimikry. Entsprechende Täuschungen lassen sich hervorragend beschreiben und natürlich auch im Unterricht diskutieren. Wichtig wäre hier der Unterschied zwischen Mensch und Tier.
Und jetzt genug des Didaktisierens. Den Download gibt es hier:
Mimese und Mimikry – Von Unsichtbaren und Sichtbaren
und los geht’s:
„Können Tiere Lügen?“, fragt Herr Schreiber.
Zögerlich gehen ein paar Finger hoch.
Janine schnippt mit den Fingern und kommt prompt dran.
„Also meine Oma, die kennt jemanden, der einen Papagei hat. Das ist in Oldenburg. Da war ich auch schon mal. Das ist ganz im Norden von Deutschland. Also da bin ich in den Ferien ganz alleine mit dem …“
„Janine, komm zum Punkt!“, unterbricht Herr Schreiber.
„Äh! Was meinen sie mit zum Punkt kommen?“
Janine ist nun verwirrt und die Klasse stöhnt genervt auf.
„Ach ja, also, die hat einen Papagei und …“
„Wer denn jetzt? Wer hat einen Papagei? Deine Oma oder …“, ruft Horst dazwischen und bekommt prompt eine gelbe Karte von Herrn Schreiber für die Störung.
„Also, wer jetzt?“, fragt Herr Schreiber.
„Der Bekannte meiner Oma! Also der Papagei redet immer so Sachen. Der sagt, dass er meine Oma lieb habe. Und dann beißt er ihr in den Finger. Das kann also gar nicht stimmen.“, setzt Janine stolz ihr Beispiel fort.
„Autsch! Gutes Beispiel Der nächste.“
Nico kommt jetzt dran und sagt: „Wir haben eine Katze. Die heißt Inge. Jeden Morgen kommt die und will schmusen. Das heißt, eigentlich will die gar nicht gestreichelt werden. Die will nur Futter. Das ist ja auch nicht ganz die Wahrheit. Die lügt also auch.“
So langsam kommt der Unterricht in Fahrt und nacheinander erzählen Betül, Sila, Deniz und Jannis von Hunden, Wellensittichen und Katzen.
So ganz zufrieden wirkt Herr Schreiber aber nicht. Er fragt, ob denn jemand in der Klasse schon mal von Mimese und Mimikry gehört habe.
Damit löst er ziemlich betretenes Schweigen in der Klasse aus. Nur Horst meldet sich.
„Okay, Horst! Dann erzähl mal!“
Horst drückt den Rücken durch und die Brust heraus und schaut siegesgewiss umher. Allerdings guckt ihn niemand außer Herr Schreiber an.
„Ich habe das bei Wikipedia gelesen. Es gibt auch so Fliegen, die aussehen wie Wespen, aber keine sind. Die machen das, damit die Leute Angst vor ihr haben, weil die ja dann denken, weil die so aussieht, sticht die auch. Aber ich weiß jetzt nicht mehr, was das von beiden Wörtern war. Die hören sich so ähnlich an.“
„Sehr gut, Horst. Wie immer sehr gut!“, lobt Herr Schreiber.
Stolz blickt Horst sich um und blickt lange in Richtung Amba. Die reagiert aber nicht darauf. Seitdem Horst ihr auf dem Schulhof seine Liebe vor allen Mitschülern gestand, wäre sie am liebsten dauerhaft unsichtbar.
Herr Schreiber lenkt die Aufmerksamkeit glücklicherweise von dem freudestrahlenden Horst und seiner verlegenen Sitznachbarin Amba.
„Mimikry heißt das. Die Fliege sieht aus wie eine gefährliche Wespe und schlägt so ihre gefährlichen Feinde in die Flucht.“, erklärt er und beginnt eine Definition an die Tafel zu schreiben.
Im Schulbuch sehen sie dann Bilder von einem Schmetterling, der auch Mimikry anwendet und mit einem großen Auge auf den Flügeln verhindert, dass Tiere sie essen. Ambas Aufmerksamkeit wendet sich aber dem Foto von einer Stabheuschrecke zu. Die sieht aus wie der Ast, auf dem sie sitzt. Mimese heißt das. Tiere passen sich so der Umwelt an, dass sie nicht gesehen werden.
Mimese ist auch das, was sich Amba am liebsten wünschen würde. Sie müsste sich nur so der Klasse anpassen, dass Horst sie nicht mehr sehen könnte. Horst ließ ja keine Gelegenheit mehr aus, sie anzuglotzen und anzusprechen. Ständig wollte er etwas von ihr. Das war ihr so unangenehm. Vor allem, dass es jeder mitbekam. Dabei war sie ja fast unsichtbar. Nur einmal hatte sie mit Horst gesprochen. Nur ein einziges Mal hatte sie die Mimese nicht richtig angewandt. So gleiten ihre Gedanken auf einer Welle von Selbstmitleid getragen, bis der Gong sie erlöst und sie in die Freiheit entflieht.
Während Horst ihr verträumt hinterher schaut, macht Yusuf einen Kussmund in Richtung Horst und säuselt: „Oh, mein Horstie, ich liebe dich so sehr!“
„So sehr liebt dich deine Amba, dass sie vor dir weg läuft.“, sagt Yusuf hinterher und prustet vor Lachen laut los.
Das merkt auch Horst, dessen Blick schnell wieder klar wird.
Er packt seine Sachen und denkt: “Wenn ich nur Mimikry könnte, würde euch jetzt das Lachen vergehen.“
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