In diesen Tagen wird das Problem mit Gott einmal mehr virulent, also muss ich mich als Atheist wieder mit ihm auseinandersetzen. Und die Frage stellt sich mir wieder, wie ich mit jemandem umgehen kann, der nicht existiert, aber dennoch für so viel Hass und Gewalt verantwortlich ist, ohne dabei ins Fahrwasser gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu geraten.
Als praktizierender Theist gerät man angesichts der Anschläge in Paris nicht so leicht in Erklärungsnot. Ist man Jude oder Christ, so scheint man fein raus und kann je nach Grad der eigenen Toleranz und Ausübungspraxis über Muslime urteilen, sie verurteilen oder entschuldigen. Und als Muslim kann man sich von Islamisten distanzieren, die sich gewissermaßen des Glaubensverats schuldig gemacht haben.
Auch andernorts wird so differenziert, indem eine strenge Linie zwischen Islamismus und Islam gezogen wird. Dazu neigen auch viele Atheisten, die ungern eine Religion unter Generalverdacht stellen wollen. So wird darauf verwiesen, dass es schließlich soziale Ungerechtigkeiten sind, die die Menschen in den Islamismus treiben. Der IS gar wird zum geopolitischen Spielball der Mächte und Mächtigen degradiert.
Angesichts hochkochender Emotionen, ist eine solch liberale Haltung vorzuziehen, anstatt mit anti-islamischen Hassparolen weiteres Öl ins Feuer zu gießen.
Gottes reale Nichtexistenz ist das Problem
Aber obwohl oder gerade weil er nicht existiert, ist Gott selbst das Problem. Was kann man vernünftigerweise gegen eine Instanz unternehmen, die Gewaltakte legitimiert und dem Fortschritt diametral entgegen steht?
Gerade durch seine Nichtexistenz sind nur diejenigen verantwortlich zu machen, die an seine Existenz mit wissender Kraft glauben und ihn so zur realen Bedrohung werden lassen. Und damit sind alle Gläubigen, auch die friedlichen, gemeint.
Schließlich stelle man sich vor, niemand würde an Gott glauben. Dann würde auch niemand im Namen Gottes Gewalt ausüben können. Die Legitimationsgrundlage für diese Art von Gewaltakten wäre entzogen und die bisher im Subtext vermuteten Gründe würden offen, für Jedermann ersichtlich, da liegen.
Man muss also gegen die praktizierenden Theisten in ihrer Gänze vorgehen und ihnen Einhalt gebieten. Und dann hört die Toleranz auf; konsequenterweise hört sie natürlich beim christlichen Nachbarn, dem Weihnachtsfest und bei Synagogen- und Moscheebau auf. Das sei nur kurz erwähnt, um das Ausmaß einer solchen Haltung kurz zu illustrieren.
Was wäre, wenn Gott existieren würde?
Wäre es dann nicht einfacher, wenn Gott existieren würde? Klar, wir hätten dann das Theodizee-Problem, dass ein solcher Gott wohl kaum allmächtiger, allgütiger, unendlicher und allwissender erster Verursacher sein könnte. Die Eigenverantwortung und Freiheit des Menschen erscheint mir nur eine billige Ausrede zu sein. Das Leben als Bewährungsprobe für ein ewiges Leben der Seele in einem Himmelreich fällt wegen Sinnlosigkeitsverdacht auch aus.
Daraus ergeben sich hinsichtlich des Umgangs mit Gott einige Optionen, um den Theisten den faulen Zahn ‘Glauben’ zu ziehen:
Er könnte nicht unendlich sein, dann wäre er sicher tot. Vielleicht wäre er dann an Altersschwäche gestorben oder er hätte sich, wie es Blixa Bargeld postulierte, erschossen und oben wäre das Zimmer nun frei. Wir müssten also dringend seine Leiche finden, um hier Klarheit zu schaffen.
Wäre er nicht allwissend, müsste man ihn ebenfalls ausfindig machen, um ihn davon zu überzeugen, seine Defizite und Hilfsbedürftigkeit zu offenbaren. Daraus würden sich ganz andere Aufgaben für die theistische Praxis ergeben, die sich aus der Akzeptanz ergeben, dass Glauben Wissen niemals ersetzen kann.
Gott könnte dann natürlich Beratungsresistent oder gar nicht allgütig sein. Bei gleichzeitiger Nutzung seiner Allmacht wären die Verhältnisse geklärt; zugegeben, eine recht frustrierende Möglichkeit. Sollte aber die Allmacht auch Risse haben, müsste die vernünftige Menschheit sich erheben, um den ersten Verursacher von Hass, Tod und Gewalt zu beseitigen, ihn mindestens aber vor ein Gericht zu zerren.
Aber, das dürfen wir nicht vergessen, dafür müsste seine Existenz mehr als ein logisches Prädikat sein. Nur eine reale Existenz von Gott ermöglichte so Handlungsmöglichkeiten, die nicht in den Verdacht von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit geraten, sondern vielmehr Horizonte für gruppenbezogene Menschenfreundlichkeit eröffnen.
Hallo Swen,
in einer Duisburg ähnlichen chinesischen Stadt namens Shunde voll gejetlagt um 5:00 die Nacht durchwachend lese ich Deine wie gewohnt messerscharf formulierten Gedanken zu Gott und der Welt.
Hier braucht man keinen Gott als Entschuldigung für irgendwelche (Misse-)Taten – dafür reicht die Partei.
Ohne die wissenschaftlich nicht beweisbare Frage anzugehen, ob es einen Gott gibt oder nicht und ob dieser Gott unserer Vorstellung entspricht oder doch ganz anders ist, zunächst mal die folgenden Überlegungen:
Fast alle Kulturen scheinen das Bedürfnis nach einem Gott zu haben – vielleicht weil es eine Erklärung für alle ungeklärten Frage braucht. Zum anderen scheinen die Menschen/Religionsstifter Ihren Gott immer mal wieder etwas anders (vielleicht nach eigenen Bedürfnissen) zu formen. Ich muss sagen, dass mir das Christentum insofern sympathisch ist, da es nach strenger Auslegung dem Menschen eine unterdrückende Schuld, eine Minderwertigkeit nimmt. Dagegen wird jeder durch den Vater aufgenommen und getragen – egal welches Scheiße man gebaut hat (siehe das Gleichnis vom verlorenen Sohn). Ich denke viele Menschen finden zum Glauben, da sie darin die Geborgenheit und Sicherheit finden, die Sie in der realen Familie/Gesellschaft nicht finden. Nur das die Vorgaben von Jesus: Vergebung, Liebe des Nächsten etc. so schwer umzusetzen sind. Anscheinend ist man lieber weniger nett zueinander. Der Kommunismus funktioniert ja auch nicht, weil der Egoismus zu stark ist. Und ja Religionen werden instrumentalisiert, um Herrschaft und Macht auszuüben, da scheint in der Natur des Menschen zu liegen und schwer überwindbar. Ist der Mensch daher schlecht? (Da wäre wieder die Schuldfrage) Antwort: nein! It is like it is. (Falls existent, nähme Gott uns ja so an – zumindest im Christentum). Aber wir haben ja die Erkenntnis, das nicht alles so ideal verläuft, das es Leid gibt und Ungerechtigkeit (So gesehen leben wir nicht mehr im Paradies der Unwissenheit). Aber ändern…. Gott könnte natürlich auch als Ausrede dienen…
Und die Existenz….. ehrlich? Die Gewissheit um die Frage würde meines Erachtens die Menschheit nicht ändern. Aber mal so als Gedankenspiel… Vielleicht ist Gott ja anders. Ich meine Du zum Beispiel lebst ja. Das ist ein Unterschied zu einem Haufen Wasser mit Proteinen, der nicht lebt. Dieses Leben hat sich von Deinen Eltern zu Dir fortgepflanzt und kann wahrscheinlich zu irgendeiner Amöbe in der Ursuppe über Milliarden Jahre zurückverfolgt werden. Ist das schon etwas göttliches? Sich über die tote Materie zu erheben? Woher kommt der erste Lebensfunke? Wäre das göttlich? Vielleicht nicht so wie sich das die Kirchenväter vorstellen.
Sind wir unter Umständen alles kleine Götter, weil wir im Gegensatz zur toten Materie (frei) denken und handeln können. Dann hätte wir wieder die volle Verantwortung und können diese nicht auf einen Gott abschieben.
ich will jetzt nicht behaupten, dass ich besonders religiös oder anti-religiös wäre, und meine Überlegungsansätze sind sicherlich nicht vollständig ausformuliert, aber es ist vielleicht Wert darüber nachzudenken.
Mit Grüßen aus Shunde
Axel