Meine am häufigsten gehörten deutschsprachigen Platten
Versuchsaufbau: Welche Platten hast du am häufigsten gehört? Und warum eigentlich und wie haben sie dich beeinflusst? Schummeln ist dabei strengstens untersagt. Du hübschst deine Biografie nicht nachträglich auf und behauptest, dass du mit 9 schon Kraftwerk entdeckt und mit 13 bereits hinter dir gelassen hast. Leichen im Keller werden nicht verschwiegen und dass du irgendwann mal falsch abgebogen bist, sollte dir nicht peinlich sein. Berücksichtige bei deiner Auswahl den sinkenden Hörintensitäts-Level einzelner Platten, der mit dem Anwachsen deiner Plattensammlung zusammenhängt. Versuche möglichst chronologisch vorzugehen.
Hui Buh das Schloßgespenst
“Natürlich bin ich ein Gespenst, mit einer rostigen Rasselkette …” Laut meiner Mami nach der Rückkehr aus dem Kindergarten täglich mehrfach aufgelegt, was sie fast in den Wahnsinn trieb. Vermutlich hat sich die sonore Stimme von Hans Paetsch in die Gehirne von Millionen Kindern, die in den 60ern und 70ern in die Welt gekommen sind, gefräst. Und vermutlich verschaffte mir die hundertfach gehörte Geschichte von Hui Buh Gefühle von Sicherheit und Geborgenheit. Fast sicher ist, dass dies die Platte ist, die ich am häufigsten gehört habe.
Gesehen, als es passiert ist? Entfällt.
Otto | Oh, Otto
“Ich bin es doch, Robin Hood, der Becher ohne Henkel …” Oder war es doch die “Oh, Otto” – Platte? Susi Sorglos und der Fön, “Zum Kotzen”, das Brechmittel, Karl Soost, Rainer Zobel ganz in Nerz und “du kaufst jetzt Hermann Hesse, sonst gibt’s was in die Fresse.” Beim Wiederhören letztens alles noch präsent und immer noch lustig. Erst Jahre später hatte ich dann mitgeschnitten, dass viele der Otto-Texte von Robert Gernhardt und Piet Knorr erdacht wurden. Da war ich schon Titanic-Leser. Heute denke ich, dass dies nicht die schlechtesten Erziehungsberechtigten im Grundschulalter gewesen sein können und das der angeblich so schlimme “typisch deutsche Humor” gar nicht so schlimm gewesen ist. Humor in meiner Kindheit/frühen Jugend hieß Otto, Loriot, Klimbim (wobei Klimbim ja so etwas wie der eingedeutschte Benny Hill war) und Didi Hallervorden (Palim, Palim). Ich glaube, sie haben mir alle nicht geschadet.
Gesehen, als es passiert ist? Entfällt.
Insterburg & Co. | Laßt uns unsern Apfelbaum
“Zwei rosa Elefanten und ne Tüte Diamanten schenke ich zur Hochzeit dir Elisabeth …” Insterburg & Co gehörten auch dazu, waren aber nicht so oft in den drei Fernsehprogrammen zu sehen. Ich fand die Begeisterung von Menschen, die ich kenne und schätze für die Erste Allgemeine Verunsicherung (Ba-Ba-Ba-Banküberfall) immer höchst befremdlich. Das war ein Fehler. Denn die Begeisterung der später Geborenen für die EAV hegte ich Jahre davor für Insterburg & Co. Albernheiten, über die ich mich als Kind beeimert habe, mit Andeutungen aus der weiten Welt der Sexualität. “und was sie in der Bluse hat, ist ki-ka-kugelrund” oder “ich liebte ein Mädchen in Neukölln, die wollte es niemals im Hell’n”, die mir damals höchstwahrscheinlich ein verschämtes “Hi, Hi, Hi, ki-ka-kugelrund, Brüste” entlockt haben.
Gesehen, als es passiert ist? Entfällt.
Reinhard Mey | Aus meinem Tagebuch
“In meinem Garten, in meinem Garten, blühte blau der Rittersporn …” Mein Papi brachte von Versteigerungen immer allen möglichen Kram mit. Manchmal auch Schallplatten. So landete Reinhard Mey in unserem Haushalt und wurde von uns Kindern weggehört. Mir gefielen die Stimme und die Akustikgitarre. Reinhard Mey mache ich heute für meine erste kleine eigene Plattensammlung verantwortlich. Ich entwickelte ein frühes Faible für Liedermacher und so kaufte ich Herman van Veen, Georg Danzer, Hannes Wader und Konsorten von dem Teil des Taschengeldes, der nicht in die Flipper wanderte. Mein Geschichtslehrer, immer engagiert an unserer Menschwerdung arbeitend, tat ein Übriges und lies Ougenweide und Zupfgeigenhansel auf uns los. Mein langsam erwachendes politisches Bewusstsein oder das, was ich dafür hielt, trieb mich so schnurstracks in die Arme von etwas, dass ich als die politisch richtige Seite und ihre dazugehörige Kultur zu erkennen meinte. In der Rückschau ein glasklarer Fall von extremer Frühvergreisung. Randnotiz: In der Oberstufe konnte ich mich für die Einflussnahme meines Geschichtslehrers, der mir tatsächlich in vielerlei Hinsicht den Weg gewiesen hat, revanchieren. Ich machte ihn mit den zwischenzeitlich von mir entdeckten Slime bekannt, was den verbarteten Mann in Birkenstocks (Hinweis für die jüngeren Leser: Birkenstocks waren nicht cool in den Achtzigern.) zu einem Stilwechsel, der nicht von Dauer war, animierte. Für eine kurze Phase erschien der Gute bartlos mit Lederhose und schwarzen, scharfen Lederschuhen zum Dienst und wirkte plötzlich wild. Natürlich hörten wir dann auch Slime im Unterricht und analysierten gemeinsam die Texte in Grund und Boden.
Gesehen, als es passiert ist? Mey nicht. Aber Danzer und Wader hab‘ ich auf dem Kerbholz und sogar Ougenweide oder Zupfgeigenhansel – da bin ich mir nicht mehr so sicher – in unserer Schulaula. Mein Geschichtslehrer hatte da beim Booking seine Finger im Spiel.
BAP | vun drinne noh drusse
“Do kanns zaubre, wie ding Mamm, die Kate läät …” Von Liedermachern weichgekocht und vorgeformt war ich dann ein leichtes Opfer für BAP. Die waren omnipräsent und Teil des Soundtracks der ganzen Friedensdemos, auf denen ich mich rumtrieb. Als Höhepunkt die Demo im Bonner Hofgarten, zu der um die 400.000 Menschen inklusive mir gepilgert waren. Dort spielten BAP auf der Abschlusskundgebung. Auf der „vun drinne noh drusse“ ging es natürlich hochengagiert zu („Kristallnaach“ Gänsehaut pur!). Ich hörte stattdessen dauernd „Do kanns zaubere“ und „Eins für Carmen um en Insel“, denn ich war unglücklich verliebt und damit das so blieb, hatte die Angebetete nicht den blassesten Schimmer davon, denn ich wollte auf gar keinen Fall, dass es eine enttäuschte oder am Ende sogar eine reale Liebe wurde.
Gesehen, als es passiert ist? Ja. Auf den besagten Friedensdemos und mein großer Bruder nahm mich zu einem Konzert im Oberhausener Stadtgarten mit. Für “kleines Geld” wie er mir auf telefonische Nachfrage bestätigte, denn BAP waren ja keine Kommerzheinis, sondern gute Gewissen mit einer Botschaft.
Fehlfarben | Monarchie und Alltag
“Es liegt ein Grauschleier über der Stadt, den meine Mutter noch nicht weggewaschen hat …” Ab hier reißt der chronologische Faden ein wenig ab. Keine Ahnung mehr, wann genau ich mir welche Platten gekauft habe. Ziemlich sicher ist, dass ich noch in die Schule ging, bei meinen Eltern wohnte und Musik immer wichtiger wurde. Im Falle Fehlfarben kann auch noch mein großer Bruder der Türöffner gewesen sein. Mein Wille, Frieden ohne Waffen zu schaffen und die Welt zu retten, wich einer zunehmend misanthropischen Sicht auf die Dinge. Negation und Hoffnungslosigkeit war die neue Gefühlswelt. Wollte ich gestern noch die Wälder, Meere, Tiere, Menschen retten, sah ich, wenn ich mich nun umschaute, alles nur noch grau. Die “Monarchie und Alltag” war hierfür die perfekte Untermalung und auch das Cover sprach Bände, denn exakt so trostlos sah es auf unserer Straße auch aus.
Gesehen, als es passiert ist? Nein. Viel später mal beim Bochum Total, aber da waren sie schon alt und spielten eher funky. Zählt also nicht.
Der KFC | Letzte Hoffnung
“Alle Vollidioten tagein, tagaus, sie wissen, für sie ist es längst aus …” Der KFC war dann der nächste Wirkungstreffer. Die “… letzte Hoffnung” war eine Kloake der Trost- und Hoffnungslosigkeit, in der ich mich stundenlang suhlen konnte. Wir waren dem Untergang geweiht und das Leben in Deutschland war scheiße. Ich war sehr empfänglich für die Lektionen von Peter Hein und Tommi Stumpff. Warum ausgerechnet Düsseldorf die Tristesse in mein Jugendzimmer exportierte, ist mir bis heute rätselhaft geblieben. Von Duisburg aus betrachtet war Düsseldorf ein Ort in dem die Reichen und die Schönen wohnten. Dort vermutete ich keine existenziellen Probleme. Meine Liedermacher-Sammlung, angereichert um Eloy, Grobschnitt, Novalis und Genesis war jedenfalls fällig, ich verschenkte sie großzügig an Interessierte. Damit wollte ich (vorerst) nichts mehr zu tun haben.
Gesehen, als es passiert ist? Nein.
Schallmauer Sampler
“Sexueller Notstand, was dir bleibt ist deine Hand …” Auf der A-Seite sorgte Östro 430 für ein wenig Stimungsaufhellung, wenn ich sie dringend brauchte und auf der B-Seite zog mich der KFC dann wieder verlässlich runter. “Stumpf ist Trumpf” und “Gefangen in der BRD” waren meine Hymnen. “Wir sind gefangen in der BRD” sang ich auch gerne in der Schule vor mich hin. Eine von mir schwer genervte Klassenkameradin, der ich insgeheim sehr zugetan war, wandte ein, dass das ja gar nicht stimmen würde und völliger Quatsch wäre. Bei oberflächlicher Betrachtung lag sie natürlich richtig, denn ich hätte verreisen können und an der Grenze hätte mich niemand aufgehalten. Aber was wusste das lebensbejahende Mädchen denn schon über den von mir ganz deutlich gefühlten Freiluftknast namens BRD? Nichts! Und sie wollte auch nichts darüber erfahren.
Gesehen, als es passiert ist? [Ja] Clox im Haus der Jugend in Düsseldorf. Östro 430 auf dem SDAJ Festival der Jugend in Dortmund.
Die Toten Hosen | Opelgang
“Roland sieht ziemlich blöde aus, allein vor deinem Haus …” Die Hosen brachten dann wieder Farbe ins Spiel. Es roch nach Spaß und Eskapismus. Ich saß im Büro der Grünen auf der Erftstraße und leistete freiwillig Büroarbeit, weil ich schon ein sehr, sehr ernsthafter junger Mensch war. Im Büro nebenan hatte sich das leider sehr kurzlebige Duisburger Stadtmagazin 80/20 niedergelassen und die “Opelgang” war eine Aboprämie, die ich abgreifen durfte. Auf Tape gezogen lief die dann dauernd, wenn ich meinen Dienst verrichtete. Tatsächlich war die “Opelgang” der Schubs, den ich noch brauchte, um den heiligen Ernst des alternativen Milieus hinter mir zu lassen. Punkrock versprach jetzt dank der Toten Hosen alles scheiße finden zu können und dabei sogar noch Spaß zu haben. Theoretisch. Praktisch wechselte ich als schon sehr, sehr ernsthafter junger Mensch einfach nur das Revier. Spaß haben war einfach nicht mein Ding und heiligen Ernst konnte man auch in der Punkszene verbreiten.
Gesehen, als es passiert ist? Ja. Im Kino Kassenberg zu Mülheim und im Vorprogramm der Adicts im Haus der Jugend in Düsseldorf inklusive Saalschlacht.
Trio | Trio
“Los Paul, du musst ihn voll in die Eier hauen …” “Da Da Da” in der Hitparade war kein besonderer Moment für mich. Ich kannte mich schon ein wenig aus, vermutlich weil ich schon die eine oder andere Sounds gelesen hatte und wusste daher, dass die Hitparade uns nur die kommerziellen Reste der Neuen Deutschen Welle präsentierte. Über Hubert Kah, Fräulein Menke und Markus konnte ich nur müde lächeln. Meine Hits von Trio waren natürlich “Ja Ja Ja”, “Los Paul” und “Ja ja wo gehts lang Peter Pank schönen Dank”. Viel später schätzte ich die ganze Platte dann sehr für ihren Minimalismus. Noch heute bin ich sofort an Bord, wenn eine Band auch nur ein bisschen nach Trio klingt.
Gesehen, als es passiert ist? Nein.
Der Moderne Man | 80 Tage auf See
“immer meine Nummer wählen sie an. Das kann doch kein Zufall sein, jemand will mich damit ärgern …” Die “80 Tage auf See” liebe ich immer noch wegen ihrer großartigen Unfertigkeit. Das Schlagzeug holperig, der Gesang immer leicht neben der Spur und die Texte höchst simpel, aber wirkungsvoll. “Haare kürzer. Haare kürzer. Und sie sind noch zu lang.” Die Platte, bei der ich beim Hören “das solltest du auch hinkriegen können” dachte.
Gesehen, als es passiert ist? Ja. ASTA-Fest der Uni Duisburg.
Toxoplasma | Toxoplasma
“Polizeistaat, die Bullen sind so fleissig. Polizeistaat, wie damals ’33 …” Nicht viele Deutschpunk-Platten haben die Jahre in meiner Plattensammlung überlebt. Die Toxoplasma ist eine der wenigen. Die ewige Bullenschweine-Polizeistaat-Straßenschlacht-Litanei plus den obligatorischen Saufliedern ging mir recht schnell auf den Sack. An Slime hatte ich mich ratzfatz überhört und all die Parolen schienen mir in der Analyse ein wenig unterkomplex zu sein. Schon bald landeteten die Platten in der Trödelmarktkiste. Die Toxoplasma wirkte wie ein Deutschpunk-Hochkonzentrat und sparte Platz im Plattenregal. Sie blieb. Wann immer mein Wutfass mit gerechten Zorn auf den “Scheißstaat” neu gefüllt werden musste, legte ich sie auf und freute mich besonders auf die Stelle, wenn Wally das langezogene “und ihre Freiheit ist wie Stacheldrrrraaaaht” raushaute.
Gesehen, als es passiert ist? Ja. Im Okie Dokie in Neuss im Vorprogramm von Anti Nowhere League, wenn ich mich recht erinnere.
EA80 | Vorsicht Schreie
“Bremen ’82, blaues Haar, 6 minutes war, Nils war da …” Wenn einen Deutschpunk zunehmend langweilt, landet man vielleicht zwangsläufig bei EA80. Die “Vorsicht Schreie” war fast wie eine Offenbarung. Die Grundstimmung melancholisch eingefärbt, die Texte parolenfrei und manchmal nicht entschlüsselbar. Hier wurden kleine Geschichten erzählt und nichts erklärt, was eine wohltuende Abwechslung war. “Alles was ich wünsche, ist zu Füßen des Tenno sterben.” Was könnte sich der Autor dabei gedacht haben? Für immer ins Gehirn gebrannt ist “Nils und die Frauen”. “Ich ergründe jeden Mädchenblick, weil so ein Blick Hoffnungen in mir weckt, doch meist steht (ein) Nils hinter meinem Rücken, den die Mädchen mit ihrem Charme beglücken.” Nun, ich war jahrelang mit einem Nils gemeinsam unterwegs, mein Therapeut und ich vermuten, dass hier der Schlüssel für meine jederzeit abrufbare Textsicherheit liegt.
Gesehen, als es passiert ist? Ja. Erstmals ’83 im Haus der Jugend in Düsseldorf. Dann oft.
Boxhamsters | Der göttliche Imperator
“Wir sind zu klein, um uns zu wehren, doch wir warten weiter ab …” Auf EA80 folgten dann meist ein wenig später die Boxhamsters. Hier auch. Die Boxhamsters glänzten durch das Fehlen von Punk-Klischees und sangen “persönliche Texte”. Das gefiel mir eine ganze Zeit sehr gut. Doch während ich EA80 auch heute noch gerne auflege, sind die Boxhamsters für mich nur noch Geschichte. Heute höre ich beim Auflegen einer Boxhamsters-Platte Punk von jungen Männern, die partout nicht erwachsen werden wollen und sich lieber in ihr Baumhaus verziehen, um mit der bösen Erwachsenenwelt da draußen vor der Tür nichts zu tun haben zu müssen. Peter-Pan-Punk. Wie oft habe ich “Wir sind zu klein um uns zu wehren, doch wir warten weiter ab, denn ganz am Schluß holt euch die Zeit ein und wir pissen euch auf’s Grab” bei Livekonzerten mitgesungen? Sehr oft. Dabei ist der Text nichts anderes als die völlige und freiwillige Kapitulation vor den Verhältnissen. Lieber nix machen und die Jahre vergehen lassen. Der Mehrwert: Man war schlauer als der Rest, den Beweis dafür brauchte man nicht erbringen. Schlimm. Schlimm auch, dass diese niedliche Trotzköfpigkeit so viele Epigonen fand.
Gesehen, als es passiert ist? Ja. Oft.
[Eine klitzekleine Pause] Womöglich war ich auch einfach nur ein schwieriger Kunde, dem man nichts recht machen konnte? Die einen nervten mich mit ihren Parolen, die anderen waren mir nicht konkret genug und ich wollte ihnen den Rückzug ins Private nicht durchgehen lassen. Und warum waren mir eigentlich die Texte immer so wichtig? Es ging doch auch um Musik! Ich guckte mich mal woanders um.
Dackelblut | Schützen und fördern
“Seine Freundin war am zetern, denn die Wäsche häufte sich …” Eine Rückkehr. Längst hatte ich das Interesse am deutschen Punk verloren. Ich erwartete weder Frische noch Neuerungen und da ich gerne tanzte, war ich zum Hip Hop übergelaufen und liebäugelte mit House und club culture. Die Hände zum Himmel, wenn das Glücksgefühle bringende Piano einsetzt und in den Jubel auf der Tanzfläche einstimmen. Auf irgendeiner Popkomm lief mir Freund Swen über den Weg, den ich recht lange nicht gesehen hatte. Ich glaube, das war ein TRUST-Abend. Irgendwann saßen wir dann in seinem Auto und Swen spielte mir “Waschen gehen” von Dackelblut vor. In einem Film wäre für einen kurzen Moment ein göttliches Licht durch die Frontscheibe gefahren, denn ich wurde erleuchtet. Wenn das der state of the art des Punkrocks war, wollte ich nur zu gerne wieder dabei sein, denn hier stimmte alles für mich. Die Musik, die Stimme, die Texte. Obendrein gab es mit Angeschissen und Blumen am Arsch der Hölle noch älteres zu entdecken und auch den späteren Reinkarnationen der Band (Oma Hans!) folgte ich willig.
Gesehen, als es passiert ist? Ja. Oft. Sogar nach Hamburg gepilgert, um das Abschiedskonzert in der Fabrik zu sehen.
Trend | Das Produkt
“Hier gibt’s Lose für die Thälmann-Tombola …” Auch hier spielt Freund Swen eine Rolle. Er drückte mir die CD in die Hand und war sich sicher, dass mir das gefallen würde. Ich war mißtrauisch, denn bei aller Sympathie für die Bombe und ihr Personal, war das hauseigene Label für mich der Inbegriff des Punks, den ich nicht hören wollte. Ich schaffte schon die CD-Beilage zum Heft nicht und vermutete etwas in dieser Güteklasse. Swen lag aber richtig. Mein geübtes Ohr erkannte Triohaftigkeit und die Texte waren voller Witz und höchts einprägsam. Ich war sofort begeistert. So begeistert, dass ich mir gleich ein zweites Exemplar der CD besorgte und es als Promoter ohne Auftrag an die Spex schickte. Tatsächlich antwortete mir Uwe Viehmann sogar. Er teilte meine Begeisterung, hatte die CD aber auch schon von Fezer bekommen. Ein echter Höhepunkt in meinem Livegigs-Leben waren Trend im Blue Shell in Köln. Fezer malträtierte seine Stirn mit einer Plastikflasche bis endlich Blut floss, benahm sich insgesamt insane und ließ sich vom Mob hinter die Theke des Blue Shell werfen. Die Thekenkraft prügelte ihn dann kurz und schmerzlos wieder nach vorne. Sehr schön.
Gesehen, als es passiert ist? Ja. Trend habe ich gestalkt.
Blumfeld | Old nobody
“So lebe ich in meinem Zimmer …” Eine ganz wichtige Band und eine ganz wichtige Platte. Ich mache es am Ende kurz und verteile noch schnell ein paar Oscars: Bestes Boyband-Foto einer Nicht-Boyband. Beste Scheitel. Bestes Liebeslied (Tausend Tränen tief). Lässigstes Kippe rauchen auf einer Bühne (Distelmeyer, wenn er Tausend Tränen tief performt). Bester Schatz-sie-spielen-unser-Lied-Moment (wenn Tausend Tränen tief in einem Club aufgelegt wird). Bester Move weg vom Indierock hin zu strahlend schöner Popmusik. Bester Textflow (So lebe ich). Beste schwere Denke. Bestes Streitobjekt.
Gesehen, als es passiert ist. Ja. Ja. Ja. In allen Phasen. Selbst der “Apfelmann” konnte mich nicht verschrecken.
Wird vielleicht fortgesetzt.
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