Nach mehr als zwei Jahren erwischte es mich dann doch: Keine Ahnung ob’s die Arschlochunterart a, b oder c war, aber unter leichtem Verlauf hatte ich mir etwas anderes vorgestellt.
Als nach drei Tagen Symptomen der Test endlich positiv war, war es zunächst wie eine Erleichterung. Immerhin hat mich Corona rechtzeitig vor den Osterferien erwischt. Nicht auszudenken, wie frustriert ich gewesen wäre, hätte es mich in der Schulwoche der Freiheit vor den Ferien erwischt. Das hätte ich sicher als Strafe von ganz oben interpretiert und auf die Liste für das jüngste Gericht gepackt, für die sich dann Gott oder Allah zu rechtfertigen hätten. So aber erst einmal richtig fettes Fieber und alles andere als ein fröhliches ICH LES‘-JETZT-ERST-MAL-MEINE-MUSIL-SAMMLUNG. Der Soundtrack dazu WDR 5 mit permanenten Dauerfeuer zum Thema Russlandkrieg. Ja, da muss ich mich nicht so anstellen, ist schon blöd, wenn das Leid der anderen soviel größer ist. Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt, der den PCR-Test machte, hat auch nicht groß nachgefragt, noch nicht einmal abgehorcht, um zu gucken, ob da eventuell Handlungsbedarf bestand. Das Gesundheitsamt täte sich melden, hatte es auch gemacht: Erst mit einem Link zu einem Symptotagebuch und nach einer Woche mit einer Quarantäneanordnung. Sonst ist man ja im Club, denn beinahe alle sind schon durch mit dem Thema. Und ich dachte, ich bin immun. Immerhin dreifach geimpft und einer von fünf Doofen, die beim SNUFF-Konzert in Essen eine Maske trugen. Ist schon befremdlich in der eigenen Bubble zu lesen, wie geil doch meine ehemaligen Lauterbachjünger sind, denn sie tragen weiter im Supermarkt ihre Masken, husten sich aber auf den vielen Konzertbildern fröhlich die Viren in die Lungen, um ihre Freiheit zu genießen. Da frage ich mich schon, wo der Unterschied zu den Coronaleugnern ist, die ich gebannt habe? Ist das die Art von Freiheit, die sie Dank der FDP nun so richtig genießen dürfen wollen?
Überhaupt, was habe ich alles in Bewegung gesetzt, um mich und andere zu schützen: Die Maske habe ich durch das ganze Hickhack hindurch nie in Frage gestellt, habe Abstandsregeln eingehalten und im Lockdown nur ganz verantwortungsvoll Kontaktbeschränkungen gebrochen. Ganz ehrlich, ich kannte da jemanden, der im Altenheim gearbeitet hat und uns getestet hat, als es sonst noch keine Tests gab. Und das habe ich wirklich nur ganz selten gemacht. Dann hätte ich mir beinahe ganz früh eine erste Impfung erschlichen. Im letzten Moment habe ich aber zurückgezogen, nicht ohne aber weiter jeden Arzt per Telefon zu terrorisieren, der impfen sollte. Da war ich ganz früh im Boot und war froh. Und natürlich war ich ebenso entsetzt und angeekelt wie der vernunftgeerdete Teil meiner Bubble über die Coronaleugner und Verschwörungsspinner. Im Hollandurlaub habe ich mich tapfer im Supermarkt als Deutscher zu erkennen gegeben, indem ich weiter Maske trug. Meine Schüler hatte ich maßgeregelt, wenn sie ihre Maske nicht richtig trugen. Und es waren natürlich die Dummen, die auch das am wenigsten auf die Kette kriegten. Darf man ja nicht sagen als Lehrer, aber Dummheit ist wirklich pathologisch und resistent gegen Aufklärung und Bildung: nur nicht gegen Viren.
Noch vor drei Wochen hatte ich gesagt, mich würde es jetzt wohl nicht mehr erwischen. Aber am Arsch! Und da saß ich nun mit meinem Fitnessalter von 20, so sagt es meine Uhr, und konnte nix mehr machen. In der Zwischenzeit wurde darüber geredet, die Quarantänezeit zu verkürzen oder ganz abzuschaffen. Selbstverständlich soll man sich nach fünf Tagen schon freitesten können, aber leider war ich selbst nach zehn Tagen noch positiv. Irgendwie erhöhte dieses Gerede von den milden Verläufen ganz schön den Druck. War meine Fitness und Gesundheit nur eine Fassade, die nun angesichts von Omicron einzustürzen drohte? Würde ich zu den Losern gehören, die so ein schlappes Männer-Corona dahinraffen würde?
Nein, seit zwei Tagen bin ich jetzt endlich negativ und habe nur noch leichte Resterkältungssymtome, die bestimmt weggehen werden, so hoffe ich. Dann werde ich bald zum geboosterten Genesenen gehören, was leider keine Sicherheit bringen wird. In der Schule trugen von meinen Schülern nur noch 20% eine Maske, und die zum Teil nicht über der Nase. Damit ist die Quote der Dummen immerhin niedriger als auf den Konzertfotos, die ich bei Facebook sehe. Ich selbst nehme mir vor, weiter meine Maske zu tragen und werde in der nächsten Booster-Schlange ganz vorne sein, denn so einen Scheiß will ich nicht wieder haben. Aber das kann ich mir wohl von der Backe schmieren, denn auch von meinen Schülern haben den Kram manche schon dreimal gehabt. Und schlimm findet das keiner mehr. So reagierte einer meiner Schüler auch mit Erstaunen, als ich ihm antwortete, dass es Corona gewesen sei, weswegen ich zwei Wochen ausgefallen war: „Wie? Solange wegen Corona?“
Die Erfahrungswelt der Schüler ist, dass es nicht so schlimm ist. Das suggeriert ihnen auch das gesamte Umfeld. Meine superreflektierte Punkblase ist ebenfalls mit dem Thema durch. Oder werden die Appelle diverser Konzertveranstalter zur Wahrnehmung der Eigenverantwortung etwa doch ernst genommen?
Sicherheitshalber darauf ein fröhliches « Après nous le déluge ! »
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