PRZEPYCH vs. CHRONIK – Duell mit ungleichen Waffen 

Ja, wo ist denn hier bitte schön die Gemeinsamkeit? Okay, etwas weit hergeholt, aber CHRONIK sind auf dem Label für unlabelbares und PRZEPYCH müssten demnach ein auf diesem Label sein. Beide Bands sind wohl auch eher Seitenprojekte von bekannteren Bands ihres Genres. Außerdem glaube ich berechtigterweise zu vermuten, dass der Herr Nussbaum (Bellerpark Records), und auch vielleicht CHRONIK selber, PRZEPYCH mögen würden.

Wenn man sich einmal auf den Humor eingelassen hat, den PRZEPYCH aus Polen zweifelsohne haben, ist das wirklich ein Vergnügen. Und in Zeiten von Google-Übersetzer und Co ist das ja auch für Menschen, die des polnischen Zungenschlags nicht so mächtig sind, recht leicht machbar. Über die Lingua Franca Englisch stellt die Band (oder das Projekt) ja auch offline Hilfe zur Verfügung. Die Absurditäten eines untergehenden Europas kann man freilich nur mit ordentlich Zynismus ertragen, weshalb das fröhlich-bunte Trash-No Wave-Gebräu genau das verspielte Format ist, das es braucht. Will sagen, das Kleid passt zum Inhalt. Das Lachen ist natürlich jederzeit dazu gedacht, im Halse stecken zu bleiben. Komplex, vertrackt, doppelbödig, hier noch eine Kurve, da noch ein Abzweig: Kleine und große Entdecker freuen sich. Die reale Gefahr gehackt zu werden und diesen spaßigen Sperrbildschirm ‚Final Warning‘ auf dem Schirm zu haben, das haben wir alle schon mal gehört und manchmal schon selbst erlebt. Wieviel Humor in den schriftlichen Ausführungen steckt, zeigt die Vertonung dieses Textes. Ganz großes Kopfkino! Die Ähnlichkeiten zu KURWS sind natürlich gegeben: Vertracktheit und lange instrumentale Strecken. Gängig geht anders.

Dafür sind CHRONIK wohl zuständig. Die Band (oder auch das Projekt?) aus Mitgliedern von EA80 und KLOTZS erzeugen genau den passenden düsteren Teppich aus warmer Melancholie und Weltabgewandtheit, in den ich mich so gerne fallen lasse. Im Gegensatz zu TROOPS OF THE SUN, an denen ja auch Maul maßgeblich mit rumschraubt, wird hier in Deutsch gesungen, was in meinen Augen auch der wesentliche Unterschied ist. Dadurch fühle ich mich natürlich auch noch mehr an EA80 erinnert. Ich kann Junge und Maul vermutlich stimmlich eh nicht richtig unterscheiden. Musikalisch, vermute ich, ist Maul der Mann für de epischen Momente. Da fühle ich mich hier auch wieder bestätigt. Auf drei von vier Seiten bekomme ich hiervon die gesamte Bandbreite. Bevor es aber dann zu ausrechenbar wird, groovt es auch schonmal wie bei ‚Avatar ISO Superstar‘. So verbreitet das eine unglaublich schöne Endzeitstimmung jenseits von Kalenderspruch-Lyrik und neumodischen Postpunkgeklimper von der NERVENigen Sorte. Diese eigene Liga ist in Deutschland unerreicht, denn sie berührt und ist dennoch vom Fremdschamverdacht befreit. Ihren Höhepunkt findet dieses Album in ‚Verfolgungsjagd‘. Diese scheinbar spielerische Leichtigkeit und Souveränität schifft mich in die Schwärmerei. Gegen Ende des Albums gerate ich dann in musikalische Alptraumlandschaften der Marke Hieronymus Bosch, wenn dort auf einmal Donald Trump auftaucht. Das ist eben auch ein geniales Arrangement der Songs. Und dieser Traum findet auf einer (standesgemäß) Edding-etched vierten Seite zum vorläufigen Ende der Nacht. Man sollte ihnen 5000 Euro-Sofortrente schenken, damit sie den ganzen Tag Musik machen können.

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