Ruf nach dem guten Leviathan

Warum mich nur eine Verbotskultur retten kann

Den Januar nutze ich traditionell für eine gewisse Zeit, schlechten Freiheiten befristet eine Absage zu erteilen. Wie lange, ist dabei meist nicht festgesetzt. Meistens soll die Mindestlaufzeit meiner guten Vorsätze aber einen Monat betragen. So sollte das Gewicht reduziert, der Alkohol verbannt, dem Sport mehr Raum oder die Ernährung moralisch und gesundheitlich aufgebessert werden. Letztes Jahr wurden aus dem Dry January gleich mehr als drei Monate der Abstinenz. Eigentlich schade, dass das nicht dauerhaft so ist, denke ich mir und Herr Lauterbach gibt mir bestimmt recht. Schließlich kann ich durch Selbstbeobachtung feststellen, dass auch geringe Mengen bei mir negative Auswirkungen haben. Die Stimmung sinkt, die Belastbarkeit ebenso wie die Kreativität. Einzig die Gewissheit, dass ich mit Gewohnheiten brechen kann und sie keinen brutalen Kampf bedeuten, tröstet mich. Ich trinke tatsächlich auch am liebsten in Gesellschaft, weil sich da auch so herrlich Unsinn erzählen lässt. Anders herum kann ich Gesellschaft oft nur trinkend ertragen, was mich bisweilen nachdenklich stimmt. Schön fände ich es, wenn Alkohol verboten würde, weil ich ganz gut verzichten kann und andere dann das gleiche Problem mit der Gesellschaft hätten. Vor ein paar Jahren startete ich aktiv vegan in das neue Jahr. Daraus ist geworden, dass ich privat vegan und in Restaurants vegetarisch esse. In einem Urlaub im Jahr esse ich mangels Alternativen sogar Fisch, weil ich mir den Urlaub nicht vermiesen will. Aber wenn es nach mir ginge, könnten Fleisch und Milchprodukte ruhig verboten werden. Es isst sich gesünder und ethischer, und der schlappe Markt, der es irgendwie nicht geregelt kriegt, auf die Speisekarten der Asirestaurants mehr als ein veganes Gericht zu drucken (Salat ohne Dressing), würde unter Handlungsdruck geraten. Gleiches gilt für die Süßigkeiten aus Industriezucker, auf die ich momentan verzichte. Alter, ich verbrenne im Schnitt über 3000 Kalorien täglich, weil ich sportsüchtig bin. Aber ohne Zeiten der Diäten oder des Verzichts würde ich locker 100 Kilo wiegen. Bitte, Herr Lauterbach, verbieten Sie die Herstellung und den Verkauf von Süßkram. Die positiven Wirkungen eines Verzichts sind bei mir ähnlich wie beim Alkohol. Aber schon Kinder werden so zu kleinen Junkies gemacht. Und auch bei mir brechen die Dämme, wenn ich erstmal wieder kurz schwach werde. Aus einem Stück Schokolade wird binnen von Tagen ein Riegel und dann die ganze Tafel mal eben so nebenbei vertilgt. Und wenn ich mir all die fetten Menschen mit ihren Adipositasproblemen so angucke, da kann man anstatt über Fatshaming zu diskutieren lieber das Leid der Betroffenen direkt reduzieren.

Und wenn wir schon bei einem Loblied auf eine Verbotskultur sind: Da passt natürlich direkt das Auto mit rein. Würde man es verbieten, müssten sich (neben tausend anderen guten Gründen) die Menschen mehr bewegen und wären gesünder und entspannter. Anstatt dass die Leute in Bullshitjobs der Autoindustrie vergammeln, könnten sie dem Fachkräftemangel entgegen wirken. Ja, was so eine Verbotskultur alles so schönes leisten könnte. Wieviel Freiheit könnte erreicht werden, wenn ein guter Leviathan ein paar Freiheitsrechte einschränken täte? Ich würde ihn wählen, wenn ich könnte.

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