Zum 25-jährigen Bestehen schenkt sich das Mind the Gap-Fanzine aus Hamburg eine dicke Sonderausgabe. An dieser Stelle muss ich direkt erwähnen, dass dies meine erste Ausgabe ist. Es wird aber nicht die Letzte sein. Fange ich mal ganz simpel an: alleine schon die Haptik des Heftes verschafft mir ein angenehmes Gefühl. Ein schweres Heft guter Qualität. Zum Jubiläum führen die Macher Interviews mit altbekannten Größen der Szene, Schwerpunkt Hamburg. Für meinen Geschmack sticht aus der Abteilung “Musik” das Gespräch mit Jürgen von Rookie Records heraus. Marcus Wiebusch darf ausgiebig in …But Alive-Erinnerungen schwelgen, Diggen (ex-Slime) seinen Video-Blog bewerben und Olli Schulz gibt einen großen Schwank aus seinem Leben zum Besten.
Ein wenig enttäuscht war ich über die Kürze des Interviews mit Dave Vanian (The Damned), doch trifft hier die Macher des Heftes keine Schuld, da der Artikel der Hamburger Morgenpost entliehen ist. Ein absolutes Highlight stellt für mich das Interview mit Ingo Hasselbach, dem bekannten Aussteiger aus der Neo-Nazi-Szene und EXIT-Gründer, dar. Ich finde es gut, dass der Thematik aufgrund aktueller politischen Entwicklungen von Rechts so viel Aufmerksamkeit gewidmet wird. Sehr erfrischend ist auch, dass bestimmte Themen, die derzeit durch die Szene wabern, überhaupt keine Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Damit schwenke ich rüber ins Ruhrgebiet: Das neue Plastic Bomb war gestern im Briefkasten. Wie ein roter Faden zieht sich sich schlechte Laune durch das Heft (na gut, die Herausgeberin lebt auch in Duisburg). Immerhin machen sie sich dort auch Gedanken ob der aktuellen Popularität der AfD. Ansonsten halten sie zu meiner Überraschung noch immer an der 2020 gestarteten FLINTA-Agenda fest, welches außerhalb von sozialen Medien kaum noch wen interessiert (dies sei auch der “Gegenseite” ohne T-Shirt mitgeteilt). Kein Interview kommt ohne Fragen zu einem bestimmten Themenbereich aus. Apropos Interviews: bis auf das (sehr kurze) Gespräch mit MARCH findet keine nennenswerte Band im Heft statt. Redet mit euch niemand mehr? Ich dachte, ihr seid ein Musikmagazin?
Einen Tiefpunkt stellt der Artikel zur “Männlichen Emanzipation” in der Punk-Szene dar. Es darf sich unwohl gefühlt werden. Die Herausgeberin und Autorin weist zum Glück darauf hin, das dies keine wissenschaftliche Arbeit darstellen soll. Männliche Personen des Punk-Szene werden als Versager oder abgestumpfte Deppen betrachtet (klar, die gab und gibt es immer). Persönlicher Tipp: wenn das Umfeld gefühlt nur als Luschen und Arschlochtypen besteht, sollte über eine radikale Veränderung des Lebenswandels und der sozialen Kontakte nachgedacht werden. Wie lange sollen “Cis-Männer” noch für das eigene Unwohlsein angekackt werden?
Milde stimmt am Ende des Heftes der Italien-Bericht. Bringt mehr davon, geht draußen in der Sonne spazieren, esst was Gescheites oder geht zum Yoga, dann wird das Glas vielleicht wieder halbvoll. Ach so, Punk-Yoga gab es bei uns in Köln schon vor über 10 Jahren.
Nils
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