DEAD YEARS (Post-Punk) vs STILLER (After-Post-Punk)

Doppelreview: Stiller und die Dead Years

“Night thoughts“ aus Bielefeld und Orangen aus Mönchengladbach

Böse könnte man sagen, dass STILLER die DEAD YEARS schon hinter sich haben. Und das leite ich in dieser Doppelbesprechung auch ein, weil man das ganz verschieden lesen kann und sollte

STILLER sind die Band von Kopfpunk Marko Fellmann aus Mönchengladbach. Und natürlich dachte ich, dass da jetzt etwas kommt, das sich in das große Vitus-Stadt-Puzzle einfügt. Tut es aber nur bedingt, also dann wenn das Bild ein Wimmelbild ist. Die Ähnlichkeiten liegen in den guten und eher düsteren Texten, die viel Persönliches offenbaren. Da finde ich als alter Sack viele Anschlusspunkte. Das stete Unbehagen angesichts der wachsenden Gewissheit über Unsicherheit und Ungewissheit. Es ist halt schon eine Krux mit dem Älterwerden. Krankheiten, Medikamente, Betäubung und repititive Blödheit, die einem permanent in der Welt da draußen begegnet. So richtig ist es nicht klar, ob du dazugehörst oder dem entgegenstehst. Dem begegnen Stiller mit Melancholie und sanftem Zynismus. Das Leben ist halt kein harter und steiniger Weg, sondern einfach wie es ist. Das ist die frohe Botschaft, die musikalisch im gedrosselten Midtempo wabert. Markos sanfter und knödeliger Gesang schmeichelt und kokettiert mit diesen Zuständen und Begegnungen. Manchmal in Szene gesetzt durch die Tröte Markus Türks (Family 5) und auch Nico von Brunn darf ohne Sauerstoffzelt trommeln. Das hört sich weder nach Düsterpunk, Postpunk oder ähnlichem an. So prangt auch selbstbewusst „Indie-Pop, NDW und Alternative aus Mönchengladbach“ auf der PE-Hülle. Und auch ich denke, dass das näher bei Stoppok ist als ich schreiben sollte. Aber das ist eben alles nur Bla Bla. Das Zeug zum anschlussfähigen Hit hat „Dein Kommentar wurde gelöscht“, den ich dann auch in die 47 47 Duisburch-Hits-Hits gepackt. Erwähnen muss ich auch unbedingt die tolle Gestaltung der Textseiten im Cover, die man sich beim Hören unbedingt gönnen sollte.

Die DEAD YEARS aus der anderen Stadt, die es nicht gibt, sind dagegen jung und voller Schwung. „Night thoughts“ ist so ein Album, das ein wahres Feuerwerk für Freunde des düsteren Post-Punks bietet. Mehr als Prisen von Death Rock und Gothic lassen sie souverän in der Fahrrinne zwischen DIVIDING LINES und HORROR VACUI schippern. Dabei sind sie nicht so derbe wie die Italiener und deutlich dynamischer als die Leipziger. Zweistimmiger Gesang und Songs, die auf den Punkt kommen und zu packen wissen. Das Album macht sich prima, um den kommenden Katastrophen ins Auge blicken zu können. Die Selbstfindung geschieht hier noch ein paar Dekaden früher als bei STILLER. Die englischen Texte formulieren noch eine gewisse Erwartungshaltung und Hoffnung an das Ende respektive die eigene Wirksamkeit, wie beispielsweise in „Just then“ formuliert. Das ist jederzeit dazu geeignet, mich mitzunehmen, wie auch das hymnische Songwriting und die geshouteten Refrains, die ohne Overacting auskommen. Kann mir schwer vorstellen, dass von der Platte hier nur ein Käufer enttäuscht sein kann. Sowas ist bei My Ruin vermutlich auch nicht vorgesehen. 

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