Tapes von Lil’ Naitsabes Rebok / Gary Flanell, Trinitatis und Euylenbër
Dreimal neue Tapes aus dem grauen Berlin vom großartigen Fachmann für Kunst in Kleinstauflagen: JOHN STEAM RECORDS.
Lil’ Naitsabes Rebok / Gary Flanell Split Tape 2
Das zweite und letzte Tape aus der Zusammenarbeit zwischen Gary Flannel und Naitsabes Rebok ist leider auch ein Vermächtnis, denn letzterer ist leider 2022 verstorben. Das ist auch aus musikalischen Gründen sehr traurig, denn ich genieße das wie beim ersten Tape Tape sehr. Hörbar ist der ruhigere Grundton und der Rückzug ins Innere. Die Klangwelten sind geschlossener, die Experimente dosierter und es wirkt mit Ausnahme des aufbrausenden ‚Belcanto‘ friedlich. Das nimmt mich mit auf Reisen, regt das Fantasieren an. Und mit ‚Magnus Dei‘ findet das ein würdiges Ende.
Der Flanell-Part beginnt mit einer gelungenen Täuschung: Da schmettert er so schön ein „Oggi non ho voglia di lavorare“ rein, um dann krachig der Arbeit zu begegnen. So stampft er erstmal im Rhythmus der Arbeit in den nächsten Song weiter, nimmt dann aber das Tempo raus und die Arbeit scheint sich etwas das Werk seines verstorbenen Gegenübers anzupassen. Das ist ungewohnt klar und sanft, gar schön, möchte ich meinen. Zumindest gilt das für drei Songs. Danach nimmt es wieder Tempo auf. Unglaublich, wie abwechslungsreich elektronische Musik sein kann, die überwiegend instrumental ist.
Trinitatis– s/t
Die Liveaufnahme in der ehemaligen Stehbierhalle in Berlin Alt-Hohenschönhausen beginnt erstmal mit einer monumentalen Klanginstallation auf A-Seite. Zart-bedrohlich wabert das vor sich hin, rauscht und tropft dabei. Und beinahe rafft es mich hin, da kommt die Veränderung. Das kriegste in einem 3-Minuten-Song schlecht transportiert, denke ich mir. Wäre mit Sicherheit was für das nächste Noise vs. Poetry-Fest. Gerade auch wegen der gesprochenen Parts. Das hat viel von Improvisiertem. Experimentaler Spaß für diejenigen, die sich auf der Familienfeier extrem langweilen. Die B-Seite kommt mit gut strukturiertem Lärm in der kürzeren Variante daher. Das ist auch mal zum Mitwippen für Fortgeschrittene geeignet. Das holt mal also aus altem Elektroschrott von Casio und Co. raus, wenn man es kann. Und G.R. Reudengeutz, Daeren und Gary Flanell können es.
Euylenbër – Bûxtehude
Alter Verwalter: Wenn mir eines immer fremd geblieben ist, dann sind es Rollenspiele und Mittelaltermärkte. Ich weiß noch, wie mich ein großartiger Mensch, den ich aus Persönlichkeitsschutzgründen nicht nennen mag, versucht hat, mich dort einzuführen. Und ich schwöre, so fehl am Platz habe ich mich nie in meinem ganzen Leben gefühlt. Und hier kommen Erinnerungen auf, die ich mit meiner eiligen, vorzeitigen Abreise verbinde. Puh, die Welt von Hexen, Zauberern und anderen Trotteln wird hier mit getragenen Synthieteppichen und geraunten Beschreibungen vertont. Glücklicherweise wird auf Dudelsack, die Drehleier, Schalmei, Flöte und Fidel verzichtet, dafür gibt es knarrende Geräusche und Schritte. Manchmal hat der Gesang etwas vom Choral. Dann denke ich mir, Euylenbër könnten auch prima Musik für Opus Dei machen. Vielleicht hätte sich Douglas Pearce mal so angehört, wenn er anders abgebogen wäre. Also Neofolk isses nicht! Es wabert so vor sich hin, vielleicht ein guter Soundtrack, um seine persönlichen Heidegger-Studien endlich mal zu beginnen. Ich weiß es nicht. 50 Stück dieses Kleinods gibt es und eins habe ich jetzt.
Lieber Sven, ich verbinde den Namen Heidegger naturgemäß immer mit dem Buch “Alte Meister” von Thomas Bernhard. Darin heißt es u.A.:”Tatsächlich erinnert mich Stifter immer wieder an Heidegger, an diesen lächerlichen nationalsozialistischen Pumphosenspießer. Hat Stifter die hohe Literatur auf die unverschämteste Weise verkitscht, so hat Heidegger, der Schwarzwaldphilosoph Heidegger, die Philosophie verkitscht… Heute ist Heidegger noch immer nicht ganz durchschaut, die Heideggerkuh ist zwar abgemagert, die Heideggermilch wird aber noch immer gemolken. Heidegger in seiner verfilzen Pumphose vor dem verlogenen Blockhaus in Todtnauberg ist mir ja nur mehr noch als Entlarvungsfoto übriggeblieben, der Denkspießer mit der schwarzen Schwarzwaldhaube auf dem Kopf, in welchem ja doch nur immer der deutsche Schwachsinn aufgekocht worden ist…” Nach Deinen Artikel bin ich schon voll gespannt darauf, wie Euylenber klingen… Beim Beginn der persönlichen Heidegger – Studien wünsche ich Dir viel Spaß und Durchhaltevermögen. Liebe Grüße, Norbertus
Da hast du zweifelsohne recht: Absolutes No Go und für mich kaum erträgliches Geschwurbel. Alle Versuche, dem etwas abzuringen, muss ich als gescheitert ansehen.
Liebe Grüße
Swenus