Ich sitze jetzt gerade mit Mari in einem wunderschönen Cottage in Haworth, genieße ansonsten die Natur und das einzigartige Flair dieser Wirkungsstätte der Brontë-Schwestern und ich frage mich, warum ich in zwei Tagen in Blackpool auf dem Rebellion Festival 2024 sein werde?
Tag 1: Donnerstag – vielleicht der beste Tag
Morgen sind wir – Babette, möge mir verzeihen! – glücklicherweise noch nicht in der heruntergekommenen Partystadt. Einzig NOI!SE hätte ich wohl gerne gesehen. Eine von den drei bis vier Bands, die ich mir auch freiwillig in Deutschland angeguckt hätte. So fällt die enthusiastische Begrüßung all der Deutschen, die ich kenne und auch liebe erst einmal aus.
Irgendwie ist es wie Murmeltiertag. Zweimal war ich schon da, habe aber das Gefühl, dass ich mindestens 20mal da war. Liegt wohl an Social Media und den Erzählungen all meiner jedes Mal neu begeisterten Freunde. Aber vielleicht auch an den Statistiken, die über 40% Wiederholungstäter dort sehen, wie Dr. Nejc ausführte.
Einmal war es ziemlich früh, in den 90ern, eines der ersten Festivals. Damals war ich ähnlich enthusiastisch wie andere heute mit einer Duisburger Reisegruppe unterwegs. Es war wirklich lustig, so einen Haufen uralter Punks zu sehen. Für mich als 89er-Spätlese unfassbar beeindruckend. Zugegeben, ich war auch durchwegs ziemlich angeschickert unterwegs. Das zweite Mal 2018 war alles schon ziemlich nüchterner. Es spielten die gleichen Bands, ich lief von Konzertraum zu Konzertraum, legte mich mittags schlafen, eierte zurück zu dieser muffigen Location, sah mir zwei, drei Stücke an und ging dann wieder raus, Seeluft tanken. Zwischenzeitlich etwas in den miesen Fastfood-Restaurants reinstopfen, dann wieder rein. Immer wieder die begeisterten Fragen, ob ich den oder diese gesehen hätte? Hm, toll, ach ja. Ich bin ja wirklich ein offener und toleranter Kerl. Aber mal ganz ehrlich, entlockt mir dieses Suhlen in der eigenen langweiligen Punkvergangenheit und die ganze Abfeierei, dass diese und jene immer noch leben, nur ein müdes Schulterzucken. Ob Charly Harper 80, 90 oder 100 ist, who cares, wenn einem die Stücke auf den Best of British God Save the Fucking Queen Samplern seit Jahren reichen und zu viel werden, wenn man sie öfter als alle drei Jahre hört. Unter diese Rubrik fallen zum Beispiel SHAM 69, SPLODGENESSABOUNDS, SUBHUMANS und STEVE IGNORANT, die uns glücklicherweise erspart bleiben. Die eigene Vergänglichkeit gespiegelt zu sehen und sich nicht daran satt sehen zu können?
Tag 2: Freitag ist hineinfinden angesagt
Was erwartet uns am Freitag? Mari will BABOON SHOW (echt jetzt?) und die STRANGLERS sehen, ich ein wenig MAID OF ACE (weil die so lustige Selfies auf Insta machen) und CHRIS MURRAY, weil der der einzige Mensch ist, der mit der Akustik- Gitarre auftreten sollte. Aber wie schlimm werden kurz danach LOS FASTIDIOS werden, die mit ihrer unerträglichen Fröhlichkeit schon beim bloßen Gedanken daran die Fußnägel umknicken lassen. Vielleicht wird FAT BOB von HARD SKIN da Worte finden, die mir ein Trost sein werden.
Tag 3: Samstag stimmt die Einstellung
Aber dann wird der Samstag bestimmt toll! Schließlich spielen da genau eben jene HARD SKIN, die mir mal erklärt haben, warum sie diese Art von Musik lieben können: Das sei halt die Musik, die man als Kind gemocht habe, deswegen müsse man sie lieben. Okay, ich versuche das jetzt! Schließlich habe ich schon den ganzen Tag vorher und beim Frühstück geübt, zu sagen, wie geil das denn war!
BOOZE & GLORY?
Geil, London Skinhead Crew!
POLICE BASTARD?
Prima, was die noch losbrettern!
BARSTOOL PREACHERS?
Unfassbar, da spielt doch der Sohn von einem von Cock Sparrer mit!
CHARLY HARPER?
Verdammt, verpasst! Dafür kaufe ich mir ein Bild von ihm!
Na, also! Geht doch!
So eingestellt wird der Samstag noch besser! Da steigt die Vorfreude auf die HARBOUR REBELS, RUTS D.C., KING KURT, GBH (!!!), LOS FASTIDIOS (geil, Antifa Hoologans, endlich singt es mal jemand!) und das BINGO mit MAX SPLODGE ins Unermessliche.
Spaß! Die Zeit zwischen HARD SKIN (endet 16:25) und HILLBILLY MOON EXPLOSION (beginnt 00:35) wird wohl mit vielen Spaziergängen an der Küste und ausgedehnten Mittagsschläfen verbracht. Oder werde ich mich doch in eine Diskussion mit WONK UNIT über Israel/Palästina einlassen? Wohlwissend, dass die dazu geeignet ist, einem die Laune endgültig zu verderben, weil die Wohlfühlblase wegen der tatsächlich in der weltweiten Punkrock-Community vorherrschenden Meinung dazu einige Risse erleiden müsste. Ach, mangels meiner miserablen Englisch-Kenntnisse, werde ich mir das wohl lieber klemmen. Oi! Bleiben wir lieber unpoliddisch! Da kann ich mir lieber doch noch COCK SPARRER und ihren Soundtrack zu eben dieser Befindlichkeit geben.
Tag 4: Sonntag heißt es Abschied nehmen
Sonntag wird dann wohl Abschiedsstimmung herrschen. Verkatert aber glücklich wird dann wieder Mal beste Rebellion aller Zeiten zu ende gehen. Endlich werde ich SWEET sehen, die ich auf dem Duisburger Stadtfest verpasst habe. Direkt danach COCKNEY REJECTS (Westham, hahaha!): der Empress Ballroom wird beben! Dann die Qual der Wahl: CONFLICT, THE ALARM und THE DREADNOUGHTS gleichzeitig. Vielleicht doch schon vorzeitig den Ort verlassen? Okay, lassen wir den Abend mit SNAYX ausklingen. Wirklich ehrlich jetzt, zwei Songs von denen habe ich mit Herzchen auf Spotify gekennzeichnet!
Bis dahin höre ich Micha Wills Playlist, um mich wirklich vorzubereiten!
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