Triggerwarnung: Ox #175 vs. Plastic Bomb #128

Ox #175: Antilopen Gang echt sympathisch

Auf dem Cover des neuen Ox gucken einem ANTILOPEN GANG entgegen, die sich ja gerne an der Musik ihrer Eltern abarbeiten. Nun ja, schlimmer als ZSK werden sie schon nicht sein, denke ich mir und scanne das Interview als erstes. Ihre Platten fand ich eine zeitlang erfrischend, aber die Texte hatten keine lange Halbwertszeit. Für meinen Deutschunterricht in der Schule boten sie aber viel. Sie passen genau rein in das Bild vapender Typen mit Big Bang Theory-Gucker-Hintergrund: eingeschliffen, kalkulierter Witz offenbar netter Menschen, die ich politisch stabil einordnen würde. Musikalisch machen sie das auch ordentlich, wie ich nach kurzem Spotify-Check widerwillig zugeben muss. Ich fremdle zwar mit ihrer Anbiederei bei alten Leuten, aber sie selbst offenbar auch. Besser, die jungen Leute hören sowas anstatt FEINE SAHNE FISCHFILET oder TEAM SCHEISSE.

THE PLEASURE DOME waren für mich mit ihrer Equinox-CD eine Offenbarung. Darum bin ich natürlich gespannt wie ein Flitzebogen. Sympathisches Interview mit dem Frontmann der Bristol-based Kombo, die sich erfreulicherweise mit politischen Texten zurückhalten. Aus guten Gründen, wie er darlegt. Musikalisch haut mich deren jüngster Output aber nicht so um, denn er ist bis auf den letzten Song eher plattgebügelt.

Gleich drei Tourberichte von deutschsprachigen Bands in fernen Ländern gibt es zu lesen: DIE SCHWARZEN SCHAFE waren wieder in Argentinien und THE HAWAIIANS in Südamerika. Richtig gut geschrieben war nur der von den MONSTERS, die in Mexiko und den USA unterwegs waren. Die beiden ersteren waren zwar informativ, aber der Beat-Man nimmt einen mit auf die Reise.

Joe Keithley (D.O.A.) erzählt von seinem Alltag als Politiker der Grünen und THE JESUS LIZARD plaudern gut gelaunt aus dem Nähkästchen. Der neue Song ist auf jeden Fall geil und was für die Duisburch 47. Überhaupt, natürlich gibt es Entdeckungen und Wiederentdeckungen: NOVAK‘S KAPELLE aus Wien kannte ich überhaupt noch nicht. Die haben in den 70er-Jahren ganz schön provoziert und nebenher richtig geile Musik gemacht. DIE NERVEN kriegen mit diesem Interview ihre letzte Chance bei mir, und siehe da, erstmalig zünden sie bei mir.

Rohrkrepierer des guten Geschmacks sind BONSAI KITTEN und HERZBLUT aus Fremdschamgründen. Erwähnenswert auch die gepuschten DEAD PIONEERS und SPIRITUAL CRAMP. Beide sind so mittelmüßig zu hören. Warum kommt aus den USA derzeit kaum etwas Brauchbares?  Erstere sind darüber noch mit intersektionalen Erziehungsauftrag unterwegs. Da sind sie ja eher was für das Abstellgleis Plastic Bomb. Da dürfte allerdings die Sprachbarriere das große Hindernis sein.

Apropos: Der Antisemitismus der linken Punkszene führt zu Ausschlüssen. Ich denke, die Ambiguitätstoleranzen vom Ox sowie meine eigene, dürfte da noch einiges Aushalten lernen dürfen. Und ich lese aus dem Vorwort von Joachim heraus, dass er vorhat, sich dem zu stellen.

Das UNARTWORK von Kalle Stille liefert wieder eine tolle Auswahl, die in mir Assoziationen mit den Kunstwerken künstlicher Intelligenzen herstellt. Seine Mischung aus Schreibstil und Wissen ist nunmal unnachahmlich. Allerdings wäre es bedenklich, wenn er all diese Schätze, über die er spricht, zu Hause horten täte.

All die Dinge, die bedenklich sind, aufzuzählen, wenn man Tom van Laaks Tagebuch liest, muss ich mir abgewöhnen. Ich sage einfach, Tom ist als einziger Mensch der Erde unsterblich und in seine Beziehung kommt 2023 im Alltag an.

Plastic Bomb #128: An der Endstation fährt der Zug nicht weiter

Das ehemals ebenbürtige Heft mit Duisburger Adresse schafft es mittlerweile nicht mehr, mit der Stammbelegschaft die spärlichen 48 Seiten zu füllen. Die Qualität der Interviews der vielen Gastschreiber ist dabei entsprechend nicht auf Ox-Niveau.

Dabei beschränkt man sich auf den deutschsprachigen Raum, mit Ausnahme der Vorstellung von BIKINI KILL und Kathleen Hanna, deren Buch ‚Rebel Girl – My life as a Feminist Punk‘ erwähnt wird. Außerdem schreiben zwei weitere Frauen über den Gig in der Berliner Columbiahalle. Beziehungsweise, sie schreiben über die Bedingungen, unter denen das Konzert stattfand und warum sie es wichtig fanden. Über die Qualität der Darbietung deutet eine Schreiberin nur an, dass die Bühne etwas groß schien. Ansonsten scheint das der blinde Fleck zu sein: Es geht um die Geste, nicht um Qualität. Darum verstehen AKNE KID JOE auch nicht, dass es Menschen gibt, die ihre Musik einfach nicht mögen. So suchen sie vergeblich mit Ronja auf drei Seiten nach Kontroversen und Gründen.

„Warum ist eine Band, die sich in allen Texten gegen Nazis, für eine sozialere Welt, gegen Diskriminierung, gegen Regierungen und für einen fairen Umgang miteinander ausspricht, die neben den Songtexten in linken Kontexten mitmischt, in der Punkszene eine Kontroverse?!“

Plastic Bomb #128 (Ronja auf Seite 27)

Fündig wird man bei alten Männern, die ihren Hass bei Facebook ausleben. Scheint so ein X für Hatespeech im Punk zu sein. Dort kommentieren wohl Menschen, bevor sie gelöscht werden. Deswegen kann man all den Hass nicht mehr lesen und ist auf die spätere Darstellung angewiesen. Oft lese ich heraus, dass es da teilweise um einzelne Posts geht, die auf alle alten Männer hochgerechnet werden.

Ich schüttle so unfassbar oft den Kopf, wie sehr man sich in ideologischen Sackgassen verirren kann. So wird gefährliches Halbwissen zum Postkolonialismus zur Festigung ideologischer Glaubenssätze über kulturelle Aneignung mit dem dazugehörigen Lehrauftrag verbunden. Dass erinnert an den irren Verschwörungstheoretiker-Onkel, vor dem man auf der Familienfeier immer stiften gegangen ist.

Die Filterblase wird immer kleiner, und der Hass der Unverstandenen auf das Feindbild älterer Cis-Männer wird immer größer. Ach, schade eigentlich. Die meisten Menschen, die ich kenne, sind ganz nett und man kann sich sogar mit ihnen streiten, ohne gleich die große Unterdrückung und Verschwörung zu wittern. Ich kenne sogar Menschen, die Karl May gelesen haben und wissen, dass das pure Erfindung war.

 

 

 

2 Kommentare

  1. Lieber Swen!
    Vielen Dank für deinen Kommentar zu meinem Plastic Bomb Beitrag über Bikini Kill. Ich schreibe für mehrere Fanzines und das online Musikmagazin Vinyl-Keks, werde mich sicherlich niemals binden. Die nächsten Gastbeiträge in vielen Zines sind sicher, auch in anderen Sprachen und Ländern. Warum sollte ich immer nur Kekse essen? Auch Krümelmonster wollen Spaß. 😀
    Ich weiß, so funktioniert dein Fanzine X vs Fanzine Y Prinzip nicht so toll, wenn die Grenzen fließend sind. Besonders wenn man es nicht peilt, besonders dass sowas nicht ärmer macht, aber ist ja nicht schlimm.

    Ich habe übrigens bei dem einzigen Bikini Kill Deutschlandkonzert in der Columbia-Halle hochauflösende Fotos gemacht im Fotograben, warum sollen die nur genau ein DIY Musikmagazin bekommen? Es ist sehr viel Arbeit und Herzblut, die Fotos zu machen und zu entwickeln. Gerne habe ich Plastic Bomb welche davon abgegeben. Ich muss übrigens auch nicht immer richtig fett abliefern und kann es mir leisten, zu schlecht für dich zu sein.
    Sicherlich können Menschen es verstehen, wenn ich als Autorin und ebenso als Fotografin, nicht 1:1 zweimal den selben Konzertbericht machen möchte. Das wäre ja auch etwas öde. So öde, wie ein bekannter voreingenommener Fanzine-Vergleich-Style, in dem das Outcome and-the-Winner-is schon seit Ewigkeiten immer bereits vor dem Schreiben feststehen würden. Aber naja.
    Wenn Du genauere Details zum Konzert und dessen Qualität vermisst, steht dir selbstverständlich alles ausführlich seit Monaten geschrieben, mit sehr vielen Fotos von Bikini Kill und Vorband Tropical Fuck Storm, jederzeit öffentlich zugänglich im Netz zur Verfügung. Aber allet jut, Keule. Hier ist mein Konzertbericht noch einmal als Link für dich: https://vinyl-keks.eu/diversity-dive-7-bikini-kill/

    Übrigens sind die beiden “Frauen” gar keine Gastschreiberinnen, sondern es ist jeweils ein Kurz-Interview mit zwei Punkband-Akteurinnen aus unterschiedlichen Altersgruppen, im Vortext schreibe ich warum,, aber egal. Kennst du eh nicht die Bands? Macht auch nüscht, Duisburg ist nicht Berlin, schon okay.

    Würdest du Banana of Death kennen, wüsstest du, dass die sehr umtriebige Schlagzeugerin von Banana of Death einen Rollstuhl hat und dadurch sehr wohl viel Grund für sie besteht, über die Gegebenheiten von Locations und Konzerten Details weiterzugeben an andere Menschen, die ebenfalls im Rollstuhl sitzen, wie du ebenfalls gerne Fanzines lesen und ebenfalls gerne Punkkonzerte mögen.
    Für behinderte Punks ist es extrem wichtig, vorab zu wissen, was sie an Barrieren erwartet. Aber gut, auch das musst du nicht verstehen, ist ja eventuell nicht unbedingt deine Perspektive oder du kennst wenig Behinderte persönlich, Paralympics auch nicht, was weiß ich, musst du ja auch nicht.
    Falls du möglicherweise mehr wissen magst oder doch im Thema stehst, empfehle ich dir wärmstens unsere Vinyl-Keks & Punkrockers Radio (Schon wieder Medien-Übergreifend, sorry) Interview-Reihe “MusInclusion”. Hier zum Beispiel mit Banana of Death: https://vinyl-keks.eu/musinclusion-punkrockers-radio-2-banana-of-death/
    Beste Grüß an deine Fanzine-Front,
    Arnica
    <3

    • Liebe Arnica,
      vielen Dank für deine Kritik. Zu den Hintergründen wusste ich tatsächlich nichts. Sieht so natürlich anders aus. Mit den Hintergründen liest sich das natürlich anders. Darum finde ich das gut, dass du hier entsprechende Ergänzungen lieferst. Werde das ab jetzt gerne weiterverfolgen.
      Viele Grüße
      Swen

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*