Red Scare Industries vs. Kontrolle

V.A. – Red Scare Industries: 20 years of dreaming and scheming

Die Zeit von Samplern ist in Zeiten von unendlichen Streaming-Listen ja leider vorbei. Dabei verbinde ich mit einigen Samplern auch eine sehr positive Erinnerung. Da wären damals die Plastic Bomb CD-Beilagen, die von Wolverine Records, Kangaroo Records oder auch Knock Out Records beigesteuert wurden. Aber auch viele persönliche Geschichten mit den Bands, die sich damals einkauften. Da waren es gerade die Bands aus der zweiten und dritten Reihe, die in meinen Augen teilweise die geheimen Perlen lieferten.

Um einen solchen Sampler handelt es sich hier nicht. Bei vielen Bands des RED SCARE Labels handelt es sich um Namen, die mir weitläufig bekannt sind, aber nicht unbedingt teil meiner musikalischen Vorlieben ausmachen. Umso erstaunter bin ich von der Wirkung des Samplers, den ich tatsächlich ziemlich oft höre. Denn mögen einzelne Bands wie die COBRA SKULLS, DEAD TO ME, SAM RUSSO oder HEART & LUNG mir als Einzelpackung sehr schnell zu langweilig, zu überproduziert, pathetisch und einfach zu viel des Guten sein, so belehrt mich der Konsum dieses Samplers, dass sie dennoch nicht so austauschbar sind, wie ich mutmaßte.

Im Gegenteil, der High-End-Melodic-Punk mit Emokante übt auf mich sehr positive Wirkung aus. Gerade als Energizer taugen NO TRIGGER, LAURA JANE GRACE und THE MENZIGERS durchaus. GOOD FRIENDS mit ihrem ‚Bonzo goes to Belfast‘, die können gar nicht ohne Wirkung bleiben. So viele schöne Zitate, toll!

Und die Bollweevils – Ich wusste gar nicht, dass es die wieder/noch gibt! – gefallen mir richtig gut.

Da steckt überall sehr viel positive Energie drin, weniger Zynismus, dafür Augenzwinkern … kann ich wirklich gut gebrauchen.

Da es den Sampler nicht im Verkauf hier gibt, checkt ruhig mal die Online-Version, wenn ihr heimlich auch ein Herz habt.

KONTROLLE – Grau

Hm, Augenzwinkern gibt es bei KONTROLLE auch, aber positive Energie? Eher nein, das Album zieht dich in einen düsteren Sog. Humor ist bei der Düsseldorf-/Solinger-Band, wenn man trotzdem (nicht) lacht. Da sind Episoden aus der Beobachterperspektive, wie beim Auftakter ‚Leseecke‘, neben programmatischen Songs wie dem Titelsong ‚Grau‘ oder vermeintliche Dada-Songs wie ‚Sei nicht so‘. Dazu ist der Gesang mal ein richtiger und dann wieder rausgepampt.

Sie spielen die Klaviatur des absurd Abseitigen gekonnt und finden in ihren Alltagsbeschreibungen Gegenstände, die sie repräsentativ entlarven, um Gesellschaftskritik zu üben (‚Hüttenschnaps‘ und ‚Laubbläser‘). Mit ihrem ureigenen Sound aus elektronischem Synth-Wave und Düsterpunk schaffen sie häufig eine orchestrale Stimmung, die etwas von einem dunklen Wall of Sound hat, ihr kennt das ja. Und so kann jeder Song diesen, eingangs erwähnten, Sog entfalten, ohne dabei einfache Musterwiederholung zu sein.

Nach TROOPS OF THE SUN und CHRONIK im letzten Jahr, meine Favoriten für die düsteren Tage in diesem.

Muss man noch das Coverartwork von Schlagzeuger Andrew erwähnen? Ich finde schon! Wir werden bestimmt im neuen Ox davon lesen, oder? Und wenn nicht, könnt ihr es dennoch bei Holy Goat Records bestellen.

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