Zombiemusik aus der Hölle

Dem hilflosen Hörer brennen die Ohren

Press Club, MandelKokainschnaps und Alarmsignal

Bei meinen Forschungen zu guter Musik in schlechten Zeiten in den Filterblasen meiner Zünfte tritt wahrlich nicht nur Gutes zu Tage. Möglicherweise sind gute Menschen, die schlechte Musik machen,genauso wahrscheinlich wie gute Menschen, die Böses schreiben. Manchmal sind es nur Ausrutscher, öfter sind es Entwicklungen, die sich anbahnen. Nicht umsonst stößt manches Wohlgefallen an die Grenzen des schlechten Geschmacks. Manche Dinge kann ich von Anfang an nicht verstehen.
Im folgenden gibt es drei verschiedene Beispiele für nervtötende Musik. Anlässe boten die Songs Scherbe/Licht von ALARMSIGNAL, Wann ist ein Mann ein Mann von MandelKokainSchnaps und Wasted Days von PRESS CLUB.

Eigentlich nur ein Beispiel für gelebte Mittelmäßigkeit sind PRESS CLUB aus Melbourne Australien.

Wie, fragst du?

Aus Australien kommen doch nur geile Bands, die alle ihren ureigenen Sound haben, den es so nicht woanders auf der Welt gibt. Hm, okay, mag ja sein, aber meinst du damit nicht Tropical Fuck Storm? Da stimme ich dir zu, aber bitte doch nicht die gequirrlte Langeweile, die PRESS CLUB so fabrizieren. Sieht man mal vom Song Headwreck ab, können PRESS CLUB doch wirklich nur auf 08/15-Rock zurückgreifen. Standardhandwerk, ungefähr so mitreißend wie Bryan Adams. Gerade der permanent vom Overacting geprägte Gesang, ständig im roten Bereich, soll hier die Emotionen direkt ins Herz der Hörer tragen. Puh, das holte mich in etwa so ab, wie die Darbietungen in den Casting-Shows, in denen die Juroren immer in so einem Drehstuhl völlig mitgerissen werden. Bisher boten PRESS CLUB ja die schlimmsten Momente von Amyl & the Sniffers an. Die beiden vorab veröffentlichten Singles in diesem Jahr deuten eine schreckliche Weiterentwicklung in Richtung weichgespültem Pop an. Wasted Days plätschert und klimpert dahin. Erinnert oft an die schrecklichen Auswüchse der Hamburger Schule. Der Gesang schwebt bedeutungsschwer natürlich darüber und gibt der Mittelmäßigkeit einen Ausdruck.

Seit Jahren lösen bei mir ALARMSIGNAL maximal Kopfschütteln aus. Ich bin mir ja 100% sicher, dass die bei der Bandgründung irgendwo in einem Atomendlager bei Celle eine Zeitmaschine fanden, die sie in die Zukunft reisen ließ, in der sie dann eine KI mit Songs von Dritte Wahl, Dödelhaien, Broilers und Fahneflucht fütterten, die sie für ihre Alben verwendeten. Diesen Trick haben sie von Album zu Album wiederholt und später ihre eigenen Songs dazu gepackt und dafür Fahnenflucht und die Dödelhaie rausgekegelt. So konnten sie dann den Weg von brennenden Barrikaden und Revolutionen hin zu den eigenen Fühlies und dem Besingen von gemeinsamen harten Schicksalen und Ausweglosigkeiten beschreiten. Das schweißt zusammen und gipfelte im bisher schrecklichsten Song Kompass & Chauffeur, den Sammy demnächst in Sing meinen Song darbieten wird. Und als Vorschau auf das nächste Album gibt es jetzt den nächsten Schocker Scherbe/Licht. Fängt natürlich direkt mit einem Ooh-Oh-Ooh-Chor aus der Hölle an, normalerweise bin ich da raus, aber für euch mache ich alles.

Okay, aber als Leser musst du dich schon anstrengen. Wofür stehen wohl die Metaphern Scherbe/Licht? Hm, hast du keine Ahnung? Dann brauchst du hier nicht weiterlesen, denn du wirst ALARMSIGNAL vor allem ihrer deepen Texte wegen mögen. Allen anderen sei gesagt, ja, natürlich ist es genauso, wie ihr dachtet. Es geht dem lyrischen Ich nicht gut, genau wie dem antizipierten Hörer. Um es kurz zu machen, es gibt Hoffnung für alle. Schließlich bricht sich das Licht so schön im zerbrochenen Glas. Da schaudert es einem. Texte, die im Paralleluniversum in der Schlagershow mit Carmen Nebel laufen.

Ist das die Musik, die ich später im Altenheim hören muss, weil ich nicht mehr wegrennen kann?

Zu guter letzt MandelKokainSchnaps. Ich hab‘ mit mir gerungen, schließlich könnte man mir beleidigte Leberwurst vorwerfen, da es um Eigenschaften des mir zugeschriebenen Geschlechts geht. Außerdem bespielen sie ja eine thematische Klaviatur, die Kritik an ihrem Oevre als Kritik an ihrer Mission selbst und damit als Hassrede disqualifiziert abtut. Aber das musikalische Gewand aus poppigen Feine Sahne Fischfilet und Sondaschule, gepaart mit ihrem Verständnis von Offenheit, Vielfalt, Respekt und Menschenliebe, lässt mich schaudern. Okay, kann man inhaltlich gut finden, wenn man den Menschenbegriff eher nicht so weit fasst.  Herbert Grönemeyer zählte da vermutlich nicht mit rein. Das habe ich, muss ich zugeben, als junger Mensch nicht anders gesehen. Witzigerweise liefert sein Song aus den 80ern die Blaupause zu ihrem Wann ist Mann ein Mann? Sein Song Männer hat damals schon selbstironisch mit den Klischees gespielt, die ein Mann so erfüllen muss, um ein Mann zu sein. Damit hat er vermutlich mehr für die gesellschaftliche Fortentwicklung getan, als jede Internetempörungswelle es je tun werden wird. Den Text dazu haben sie vermutlich im Projektkurs literarisches Schreiben in der 10. Klasse geschrieben. Und weil es dafür ein Lob gab und das Gedicht auf der Abschlussfeier soviel Applaus bekam, musste er jetzt raus, um es dem schaiss Patriarchat mal so richtig zu geben?

Insofern haben sie ihr Ziel verfehlt, weil sie ohne Selbstironie nur ein völlig sinnfreies Zeugnis absoluter Ideenlosigkeit abliefern. Wer soll sich denn Bitteschön die Schuhe anziehen und geläutert auf den Pfad der Tugend kommen? Die Angesprochenen lachen sich scheckig, wenn sie den Song hören.

1 Kommentar

  1. Danke, das bei es bei Alarmsignal jemanden gibt der meine Gedanken teilt.
    Auch ich habe als ich “Kompass & Chauffeur” das erste mal hörte, zum einen diesen Onkelz Vibe gespürt und zum anderen die Bilder, mit dem vermeintlichen Anspruch nicht in Einklang bringen können. Man fühlt sich als “Underdog” und fährt in einem Jaguar durch die Gegend? Hinten als “Chauffeur”?

    Ich als Fels in der Brandung stehe das aber mit allen durch.

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