Die Expressionisten vs. Kommando.21 / Crucial Change

 Zweimal Gefangene in einer freien Welt

Die Expressionisten – Gefangene der freien Welt

Sehr schöner Titel und der Bandname passt auch schon mal in die heutige Zeit, wo es ja doch schon um die Gefühlszustände des einzelnen geht. Und da eh Weltuntergangsstimmung herrscht, kann man die auch genießen. Die Ambivalenz unseres Daseins in einer alternativlosen freien Welt gefangen zu sein, frisst sich durch jede Faser, jeden Ton, den die Berliner hier produzieren.

Die Bezüge zu den 80ern lassen sich nicht leugnen. Im ersten Moment hört es sich ziemlich deutsch an, Erinnerungen an Extrabreit oder Fehlfarben ploppen auf. Das liegt wohl am markanten und dominanten Gesang, an dem sich die Geister scheiden werden. Mir gefällt er ziemlich, meiner lieben Marion eben überhaupt nicht. Ist ihr zu viel Bela B./Depp Jones und Frank Z.  

Ich selbst kann mir keinen besseren Sänger an dieser Stelle vorstellen, da der Cocktail schon ziemlich rockig ist. Hätte mir damals vermutlich nicht so gut gefallen wie heute. Mit dem musikalisch oft twangenden Cocktail aus Kinks, Stranglers, David Bowie und manchmal auch Pixies, den ich hier raushören mag, wäre ich als junger Mensch noch überfordert gewesen. Ist definitiv Musik für Erwachsene.

Textlich holen mich die Expressionisten total ab. Da gehen sie unerwartet konkret auf Imperialismus, zivilisatorischen Backlash, Egomanie und Konsumismus ein, ohne auch nur einen Moment peinlich zu sein. Ein viel zu schöner Soundtrack einer schrecklichen Zeit.

Kommando 21/Crucial Change Split 7“

Die liegt jetzt schon eine Weile hier herum. Nicht, weil sie so schlecht ist, sondern weil ich weder eine Platte hier zum Besprechen hatte, die dazu passte oder eben genau gar nicht dazu passte. Schwefel ist ja der Sänger der Verlorenen Jungs gewesen und hat sich im Laufe der Jahre als sehr wandelbar erwiesen. Das führte selbst in Ausflüge in Richtung Hip-Hop, die ich gelinde gesagt, ein wenig schrecklich fand. Allerdings hat diese Wandelbarkeit eben auch zu einer Entwicklung geführt, die es möglich macht, dass er mit Kommando.21 eben zu seinen Wurzeln zurückkehren kann, ohne stereotyp auf verlorenen Pfaden zu wandeln. Deutschland ist so ein Song, der mit einfachsten Mitteln des Oi!-Punk arbeitet, aber im Detail zeitgemäß ist. Der zweite Song wirbt für Haltung, ohne sein Fähnchen in den Wind zu stellen. Ich finde, dass das gut funktioniert. Bin mal gespannt, wie das auf Albumlänge gelingt, denn der Fortschritt zur ersten Veröffentlichung ist schon hörbar. Crucial Change aus den Staaten sind da eher hardcorig im Midtempo unterwegs. Die sind okay, aber mich haut das nicht so um.

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