Flotte drei Generationen im Vergleich

Gleich drei Veröffentlichungen eines vergleichbaren Genres mit ordentlich Altersunterschied. Wie nennen wir das? Ernsthafter Punkrock mit viel Dada und Augenzwinkern? 

Ich könnte mir auf jeden Fall gut vorstellen, dass die alle zusammen an einem Abend oder einer Sonntags-Matinee zusammen auf einer Bühne stehen. 

SEDLMEIR – Befehl aus dem Weltraum

Den Anfang macht SEDLMEIR. Der gute treibt ja schon seit ziemlich langer Zeit sein Unwesen. Aber bisher habe ich keine Gelegenheit genutzt, diesen Sedlmeir mal kennenzulernen. Dabei ist er mir wirklich von so vielen Leuten mit Geschmack ans Herz gelegt worden, dass das spätestens nach Hören dieses Tonträgers als strafbewehrte Unterlassung zu werten ist.

Ich mag ja den lakonischen Ton mit den Texten zwischen zwischen Knarf Rellök und Zwakkelmann sehr. Musikalisches Understatement (Sedlmeir forever, Der beste Song aller Zeiten), aber auch recht eindeutigen Statements jenseits des DADA-Charmes. Industrie ist so ein Song, der ein lässiges Statement zur Aufrüstungs- und Kriegsgeilheiheit dieser Tage ist. Auch die Gentrifizierungskritik (Berlin, Stadt der Liebe) geht, ist unbedingt anschlussfähig.

Songs wie Lupen-Rainer könnten auch von Chefdenker sein, man schmunzelt angesichts des homophonen Wortspiels. Genau so ein Lächeln treibt mir 5000 Hüte ins Gesicht. Eine Geschichte von den Hüten der Queen so zu erzählen, kannte ich eher von der Liga der gewöhnlichen Gentlemen.

Ja, werde ich mir unbedingt häufiger geben, obwohl mir so ein wenig das absolute Quentchen für die Spitzengruppe fehlt. Aber langweilig ist es auf keinen Fall.

DIE RADIERER – Limburger Schule

Sind auch so eine Band, die immer komplett an mir vorbeilief. Und das seit 1978. Die Sterben wie Donald-7inch auf Blitzkrieg Pop hatte ich mir mal geholt, weil ich Aufmachung mit diesem Klappcover aus Kim Jong-un und Trump großartig fand. Und eigentlich dachte ich, dass das Thema durch wäre, aber … nun ja, steht leider auf einem anderen Papier.

Die Radierer machen eindeutig bekloppte Musik. Minimalistische Basis mit jeder Menge verspielten Albernheiten. Könnten heimliche Stilvorlage für viele Phantombands sein. Die deuten nicht nur an, sie gehen auch oft in die Grenzbereiche zur Peinlichkeit. Washingtoner Washing Bär oder Rechtshänder gegen Linkshänder zum Beispiel. Das ist absurd, und wenn S.Y.P.H. da im Info genannt werden, ja, dann passt das. Irgendwie haben die auch diese scheinbar sinnlosen Fantastereien als Statements zur Zeit. Das macht das Hören durchaus anstrengend, ist halt so Arte mit Tele 5-Momenten. Sarkastisch und gnadenlos wird mit den eigenen Befindlichkeiten und denen, an den die Gesellschaft leidet abgerechnet, bzw. man macht sich lustig, wie in Mein inneres Kind ist tot. Musik für bekloppte Zeiten, vordergründig lustig und albern, innen aber tiefschwarz und böse. Nur am Ende wird es versöhnlich, wenn der Eskapismus mit Belle de jour gepflegt wird. Ich glaube, ich finde das ganz schön gut.

DAS AUS DER JUGEND – Für immer niemals sein wie ihr …

Und am Ende kommt dann auch die Enkelgeneration zu Wort. Das Cover sieht so ein bisschen bah-pfui aus. Die üblich schmuddelig ungewaschenen Zottels ohne Rasierapparat beim gepflegten Kaffee-und-Kuchen-Mittag. Ob das Oppa und Omma gefällt, wie die sich da so rumfläzen?

In der Mitte der Typ, sieht ein wenig wie Freddy Mercury im Faltenröckchen aus. Schön ist das nicht anzusehen, aber Punk tut heute ja anders weh. Und das war es dann mit dem Rumgestänker! Obwohl… nicht ganz, einen hab‘ ich noch, nein, doch nicht! Denn die Breisgau Boys sind ein bisschen lustig. Vielleicht sogar ein bisschen viel. Allein der Titel ist schon doppelt lustig, spielt er doch auf einen der schlimmsten Slime-Songs aller Zeiten an. Spielfreudig und abwechslungsreich gibt es immer wieder was zu entdecken. Ähnlich viel Spaß hatte ich vielleicht in den letzten Jahren bei Ernte 77 oder Petra Buchholz. Das selbstironische Element wirkt nicht so overacted wie bei den zurecht verhassten Bands. Der feine Unterschied zwischen gewollt lustig und echter Freude bei der Darbietung also!

Dass die Texte meist einen ernsten Bezug haben, der nicht verklausuliert hinter der Ironieschranke steckt, steht dem schwungvollen Gutfinden nicht im Weg. Manches Anliegen, hätte ich mir gewünscht, würde allerdings nie mehr wieder besungen werden müssen, wie z.B. die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Wobei mir dabei auffällt, dass das genau die Art von Gesichtsbehaarung ist, die früher die Trottel von Wehrpflichtigen getragen haben, wenn man sie am Wochenende in ihren Uniformen in den Zügen gesehen hat. Tja, heute tragen das die Typen mit dem schimmeligen Kühlschrank in der WG.

 

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