Hot oder Schrott: Crassfish, Dezerter und Dividing Lines

Es steht zu viel Plunder herum. Seit Jahren verkleinere ich in erster Linie die ehegemeinschaftliche Vinylsammlung bei Discogs. Wobei Sammlung ja impliziert, dass ich jemals bewusst irgendetwas gezielt gekauft hätte. Dem ist nicht so. Ich bin Impulskäufer und mein Musikgeschmack unterliegt permanenten Veränderungen. Dazu bekomme ich natürlich auch die eine oder andere Scheibe geschenkt. Unsere 7inch-Sammlung habe ich seit 20 Monaten beinahe halbiert. Und jetzt steht auch noch der Umzug nach Duisseldorf an. Ein teures Pflaster und auch der italienische Marmor für die Hütte ist nicht ganz günstig. Darum geht der Abverkauf der physischen Tonträger in eine nächste Runde.

Es bleiben gesichert nur Tonträger, die wirklich gut sind oder es gibt eine gute Geschichte, die den Urenkeln zu erzählen ist.

Diesen Sonntag liegen folgende Platten auf dem Teller:

DIVIDING LINES – Gone LP

Gehört zu den Plastic Bomb Platten, die ich mir aus Solidarität und dereinstiger Verbundenheit mit dem Label zum Vollpreis gekauft hatte. Düsterpunk aus der Zone mit Sängerin, den ich unter ganz okay abspeicherte. Nun dreht das blaue Vinyl seine Runden hier. Die ersten Töne klingen jetzt nicht so schlecht. Die Musiker verstehen offenbar ihr Handwerk, Marion vergleicht sie kurz mit den Troops of the Sun, verwirft es es dann aber schnell. Dann setzt der Gesang ein, der … nun ja … wie kann ich es sagen, etwas zu dünn und zu dominant ist. Zwar ist Marie um Variabilität bemüht, zieht durch das Overacting die Songs aber immer wieder ins Abstruse. Und auch der Sänger hat es nicht wirklich drauf. Es fällt also nicht schwer, sich von dem Tonträger zu trennen. 17,25 € schlägt mir Discogs vor, 15 € ist der Durchschnitt, aber da das Album das letzte Mal im Jahr 2019 dafür über den Tisch ging, macht es nicht viel Hoffnung, den Einstiegspreis zu bekommen. Also drücke ich zum ersten Mal den Button „allow offers“.

DEZERTER – Kolaboracja II LP

Polnische Band, die noch hinter dem eisernen Vorhang gegründet wurde mit ihrem 1988er-Release. Nun, ich muss zugeben, ich erinnere mich nur an ihren Namen, spreche kein Wort polnisch. Vermutlich ist das eine total wichtige Band für den Widerstand gegen die Unterdrückung. Der Titel wurde damals nicht auf das Cover gedruckt, weil er der staatlichen Zensur zum Opfer viel. Leider ist die Musik ein merkwürdiges Nebeneinander von Instrumenten und Gesang. Mit viel guten Willen würde ich es Progrock von unambitionierten Künstlern nennen. Kann mir gut vorstellen, wie besoffene Bauwagenplatzpunks das annodazumal abgefeiert haben. Ich schaffe Seite zwei nicht mehr.

CRASSFISH – Play it loud for your neighbourhood LP

Mann, dass ich die jemals nochmal hören würde! Auf dem seligen Nasty Vinyl veröffentlicht, habe ich die eigentlich nur deswegen behalten, dass ich Horstie immer großartig fand. Außerdem hatten CRASSFISH mit Tom Tonk einen gewichtigen Fürsprecher. Nun, für mich war das damals das gleiche wie die Kellergeister. Dabei waren CRASSFISH ja nahezu eine Supergroup aus Mitgliedern von Boskops/Pissed Spitzels und Abstürzenden Brieftauben. Und irgendwie erreichen die mich heute mehr als früher. Der süße Charme der Band, die gar nicht mehr will, als einem ein paar schöne, sonnige Momente zu bescheren, erreicht mich. Ich denke an Vulture Culture oder die unendlich süßen Bam Bams. Erstaunlich, was die damals mit einem 8-Spur-Recorder für eine schöne Aufnahme zauberten. Wenn ich auch selten sentimental werde, steht diese Platte für die unbeschwerten Tage. Erstaunlich, aber die werde ich wohl behalten. Da kann ich auch mal von früher erzählen, bzw. mich an die vielen Geschichten über Konrad Kittner erinnern. Wer sich die Platte auch noch zulegen will, kriegt sie für lächerlich wenig Geld bei Discogs: es lohnt sich!

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