Alljährlich zum Neujahrstag bekomme ich Geburtstagsgrüße von vielen Menschen aus meiner Facebook-Blase. Das ist insofern sehr freundlich, da ich selber auf die netten Erinnerungen von Facebook, anderen zu gratulieren, mit herzlicher Missachtung reagiere. Nicht, dass ich meine Mitmenschen nicht achte, es ist eher so, dass ich eine gewisse Abneigung gegen datiert- ritualisiertes Brauchtum hege. Aus diesem Grund habe ich für mein Alter Ego Swen Bock auch ein beinahe zufälliges Geburtsdatum gewählt, als ich mein Profil hier wieder anlegte.
Aber das Geburtsdatum fällt natürlich, wie der Insider erkennen mag, mit dem Geburtsdatum des Plastic Bombs zusammen. Am 1.1.1993 wurde die ja von Micha Will und mir gewerblich angemeldet.
Mein Name war tatsächlich zu diesem Zeitpunkt Bock. Diesen Namen habe ich meine Stiefvater, der mich adoptierte, zu verdanken, von dem ihr im nächsten ZAP erfahren könnt. Ich trug ihn also schon vor 1993, wenn auch nicht allzu lange. Gewissermaßen fiel die Adoption mit meinem Eintreten in die Punkszene zusammen. Deswegen dachten wohl viele immer, dass Bock sowas wie geiler Bock hieß, also ein schillernder Punkname wie Zecke oder Scheiße. Trotzdem hatte der Name immer etwas punkiges, denn das türkische Wort ‚bok‘ sorgte immer wieder für grinsende Kunden, die ich damals bei der Sparkasse hatte. Es war also nie nötig, mir ein Pseudonym zu suchen, um einen Cooolnessfaktor in meine Existenz zu bringen. So schrieb ich schon eine Zeit unter diesem Namen für die großartige Rockzeitung, das Blurr und das Toys Move.
Später wollte meine Ehefrau dann nicht so heißen wie ich und ich kurz danach nicht anders als meine Kinder, so dass ich den bürgerlichen Namen Anfang der 2000er wechselte. Das fand ich zu diesem Zeitpunkt ganz passend, denn meine private Existenz driftete weit weg von der als Swen Bock. Ich lebte gewissermaßen ein Doppelleben und war froh, dass man mich im Kindergarten oder beim Babyschwimmen nicht mit dem Plastic Bomb zusammenbrachte. Ich wollte auch nie, dass meine Kinder zu Abziehbildern wurden, wenn auch ich eine kurze ‚Babystrampler-Ramones‘-Phase hatte und meinen Kindern ‚Kontoauszugsdruckerautomat‘ und ‚Eisgekühlter Bommerlunder‘ zum Einschlafen vorsang.
Swen Bock aber blieb immer teil meines Ichs: Projektionsfläche für mich oder vielleicht auch Avatar. Diesem Alter Ego habe ich viel zu verdanken, könnte es aber eigentlich auch beerdigen, denn die Unterschiede zwischen meiner bürgerlichen Existenz und den Verlautbarungen von Swen Bock sind mittlerweile gar nicht mehr so groß. Swen Bock hat kein Problem damit, Lehrer zu sein, Kinder zu haben und verheiratet zu sein. Auch komme ich klar damit, dass meine Mama in meine erste Wohnung aufräumte, während ich die Weltrevolution plante. Nur das Geburtsdatum macht mir etwas Probleme. Vielleicht muss ich damit mal in eine Gruppentherapie mit Bernd Lucke.
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