Das Ox ist immer nur so unterhaltsam, wie es die Bubble des semiprofessionellen Musikgeschäfts hergibt. Das ist momentan die große Schwäche des aktuellen Ox, das ja konzeptionell als Branchenverzeichnis agiert. HOT WATER MUSIC auf dem Cover passen da wie Faust auf Auge, denn sie zählen ebenso wie die dort ebenfalls vertretenen IGNITE zum groß gewordenen Mittelmaß, die eine halbe Idee zum lebenslangen Geschäftsmodell weiterentwickelt haben. Der Neuigkeitswert des HOT WATER MUSIC – Interview besteht darin, dass irgendein Typ, der als Aushilfsmucker auf Tour einstieg, nun auch irgendwie zur Besetzung gehört; also irgendwie ähnlich wie bei BAD RELIGION oder GENESIS. IGNITE haben gleich den vierten neuen Sänger: hätt‘ ich echt nicht bemerkt. Lesenswert ist das Interview mit MONCHI, der wohl fast 65 Kilo abgenommen hat, darüber ein Buch schrieb und im Interview überraschend Klartext zu Bodyshaming etc. redet. Geht doch! Mit RUSSKAJA wäre eine Band von Interesse da. Ich schätze zum Zeitpunkt des Interviews war der Krieg noch nicht so eskaliert. Deshalb würde ich mir in der nächsten Ausgabe da ein Nachhaken wünschen. Hier gibt sich die Band unpolitisch. An neuen Bands ist mit ISOSCOPE gerade mal eine interessante Band im Heft. Die VERSTÖRTEN BECKER sind ja irgendwie nicht neu, haben aber mit ihrem DADA-Punk zumindest schon mal Aufmerksamkeit jenseits des Gewohnten gewonnen. Der interessante Rest spielt sich in der Vergangenheit ab. HANNES von ZEBRACORE erzählt von den guten alten Tagen in der Fabrik in Duisburg. Die Langversion gibt es ja auch hier: Zebracore – Hannes Siaminos im Interview .
TOM SCHWOLL (u.a. JINGO DE LUNCH und MANSON YOUTH) ist mit ES WAR MORD immerhin heute noch aktiv und streitbar. Mit ZANDER SCHLOSS wird mal jemand vor das Mikro gezerrt, der vermutlich Tage von seinem Leben, der Musik und den Filmen erzählen könnte, und dem man trotzdem gerne zuhören würde. Wo wir bei den Kolumnisten sind: Von diesen kann Kalle Stille mit dem FLASH GORDON-Soundtrack von Queen punkten, die immerhin die einzige QUEEN-Platte war, die jemals in meinem Besitz war. Ich glaube, größer als die Enttäuschung über diesen Soundtrack war nur noch der Film selber für den kleinen Swen. Dazu liefert Kalle noch den Zwillingsartikel zu meinem über den Vinylkult im aktuellen ZAP. Ich verspreche, wir sprechen uns nicht ab! Tom van Laak sucht sich mittlerweile professionelle Hilfe bei der CARITAS, um mit kontrolliertem Trinken zu beginnen. Das ist wirklich immer noch erschreckend zu lesen, wie einen dieses Dreckszeug so im Griff haben kann. Dass Tom ernsthaft das Ziel formuliert, an nur noch vier Tagen in der Woche jeweils eine Flasche Ouzo und ein wenig Kleinkram zu trinken, haut mich echt um. Ich möchte nicht wissen, wie viele Alkis nach der Lektüre denken, es könne bei ihnen selbst dann ja nicht so schlimm sein. Da gehört eigentlich eine Triggerwarnung hin: Andere sind bei gleich Konsum schon früher dran gestorben.
Richtig erschreckend finde ich aber die Entwicklung, sich für Dinge zu rechtfertigen, die keiner Rechtfertigung bedürfen. Dass die mir unbekannte Band ARROW MINDS in einer Art Selbstbezichtigung sich dafür rechtfertigt, einen Song über BLM gemacht zu haben, zeigt wie tief das Gift der Religion der Erwählten (siehe hierzu auch das großartige Werk von John McWhorter ‚Die Erwählten‘) schon in die hiesigen Moralvorstellungen eingedrungen ist. Besser wäre es, wenn sie sich von ihrem 08/15-Screamo distanzieren würden!
Die beiliegende CD kommt mittlerweile wieder auch eine ordentliche Spielzei, hat mit WASTED und ZWAKKELMANN aber auch nur zwei gute Songs. Ach ja, dass Bandcamp jetzt über EPIC GAMES zum chinesischen Tencent-Imperium gehört, ist dann noch eine Illusion, die damit von Joachim im Vorwort zerstört wird. Ach ja: Don’t forget bei aller Meckerei: Das OX gehört auch weiterhin keinem Oligarchen.
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