Triggerwarnung: Ox #164

Das Ox ist ja bekanntermaßen für die positive und wohlwollende Sicht auf die Szene  zuständig. So findet sich für jeden Geschmack der zuständige Rezensent oder Interviewer. Und dieses Konzept, dass auf 164 Seiten ungefähr drei Fanzines unter einem Namen ausmacht, findet auch bei mir genügend empfangsbereite Rezeptoren. 100 BLUMEN, FEHLFARBEN, THE HAWAIIANS und VIC BONDI gehören zu den zuerst verschlungenen Interviews. Und gerade wie VIC BONDI sich zu tagesaktuellem Krisengeschehen äußerst, ist äußerst wohltuend. So heben sich seine Ansichten doch in vielerlei Hinsicht vom üblichen schwarz-weißem Nachgebrabbel ab. In gleicher Güte weiß der nette Erzählonkel Peter Hein zu unterhalten. By the way: Das neue Fehlfarben-Album ist auch sehr gelungen.

In einem zweiten Durchgang geht es dann meistens an die anderen bekannten Namen. TALCO als Titelthema sind sicherlich überraschend. Ist ja so, dass mich die anfängliche Begeisterung für die KOB-Bands ziemlich verlassen hat und ich mit dem Rumgehopse-Ska-Punk gar nichts mehr anfangen kann. Aber wenn ich das Interview mit ihnen so lese, dann denke ich, dass die, in Zeiten von Meloni und ihrer Faschistenbande, mit ihrer Reichweite verdammt wichtig sind, um nicht alle Freunde der schlichten Unterhaltungsmusik zu verlieren. Die Ernsthaftigkeit, die sich hinter ihrer Fröhlichkeit verbirgt, wird recht gut rausgearbeitet. Eine Liga höher gilt dies auch für die DROPKICK MURPHYS, die ganz klar mit ihrer Woody Guthrie-inspirierten Scheibe den Teil ihrer Fanbase erreichen wollen, der eben dem roten Lager nahesteht. Dass sie dort auch riskieren, den ein oder anderen Hörer zu verlieren oder gar angefeindet zu werden, ist ihnen hoch anzurechnen.

Im dritten Durchgang scanne ich ja immer noch Neuheiten oder Bands, die bisher an mir vorbeigingen. Bewaffnet mit Bandcamp und Spotify muss Marion immer so einiges ertragen. Zum letzten Mal versuche ich mir ernsthaft DIE NERVEN anzuhören. Es gelingt einfach nicht. Weder Texte, Stimme, noch das Songwriting oder die Produktion holen mich ab. Gleiches gilt für OFF! Aus ganz verschiedenen musikalischen Gründen gilt dies für neue Bands wie SUCK, SUZI MOON oder PARKPUNK. Ich weiß gar nicht, was ich schlimmer finde: Die Verklärung von Vergangenheit oder diese neuen Bands, die schmecken wie mehrfach aufgegossene Teebeutel?

Aber an den Schrecken, den eine Band wie LYSCHKO erzeugt, kommen sie sicherlich nicht heran. Der Gesang ist wirklich zum Fußnägelhochrollen und dazu Texte, die vermutlich in der gemeinsamen mit Andrea Berg und Nena verbrachten Bioenergetikgruppe entstanden sind. Puh!

Schnell die Kolumnen lesen, um wieder geerdet zu werden. Tragikkomisch ist natürlich Sebastian Wahles Einschätzung des MSV Duisburgs, der ihn endlich wieder erfreut. Just seit gestern dürfte er wohl Spenden für eine Rückrufaktion des Ox sammeln. Tom wandelt in seiner Kolumne auf Freiersfüßen und ich freue mich leise für ihn mit. Die Krise der Veranstalter wird beleuchtet und ein weiteres Mal bin ich heilfroh nicht mehr finanziell abhängig vom Funktionieren der Szene zu sein, sondern sie durch Konsum zu stützen.

Am Fazit des Heftes ändert sich nichts, denn bei der Masse ist es unmöglich, alles gut zu finden, aber eben genauso Fakt, dass es für jede Filterblase (vielleicht mit der Ausnahme Oi!, das scheint durch Metal ersetzt worden zu sein) genug Interessantes gibt.

Die den Abos beiliegende CD rundet diesen Gesamteindruck Eindruck ab. Highlights sind 100 BLUMEN; FEHLFARBEN, VIC RUGGIERO und DAS LECK.

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