Der konsumfreudige Citoyen

und wie er in die City gelockt werden soll. Ein paar verspätete Anmerkungen/Beobachtungen zu einer Veranstaltung der Duisburg Business & Innovations GmbH (DBI).

Ein Freitagabend in Düsseldorf mit Punkrock im Ratinger Hof. Wir fahren per U79 nach Hause und amüsierwillige Menschenmassen schieben sich durch die Straßen und die Station Heinrich-Heine-Allee. Diese Stadt lebt offensichtlich. Kurz nach Mitternacht endet meine Rückfahrt in der Steinischen Gasse. Ich bin allein, ganz allein, beim Ausstieg, auf der quietschenden Rolltreppe, auf der Straße, selbst im Citygrill brennt kein Licht mehr. Diese Stadt fühlt sich mausetot an. Ein nur zu vertrautes Gefühl.

“Schmackes und Herzblut”

So eingestimmt geht es am Mittwochabend darauf zu einem Informationsabend der DBI ins Averdunk-Center. Es geht um Perspektiven der Wiederbelebung der Duisburger City. “Schmackes und Herzblut” lässt als Motto nichts Gutes erahnen, aber ich bin bereit zuzuhören und sehe daher großzügig über das Ruhrpott-Klischee hinweg. Ich wohne im Herzen der City und sehne mich nach Veränderungen, die die tägliche Ödnis vor meiner Haustür beenden würden. 

Keine Parkplatz-Diskussion

Das ist nicht die erste Veranstaltung dieser Art, an der ich teilnehme und ich werde positiv überrascht. Die bekannten Diskussionen fallen diesmal aus. Kein Wimmern des Einzelhandels, dass es zu wenig Parkplätze für noppes in der Innenstadt gibt, keine Lobpreisung des Anachronismus “Lack & Chrom” und auch die Erfolgsgeschichte des Casinos wird diesmal nicht wieder erzählt. Nur der OB schert hier kurz aus und lobt nicht ohne Stolz, wie gut die Königstraße doch mit allerlei Festen bespielt wird.

Stattdessen kommen Künstler, kleine Einzelhändler und das Stapeltor ausführlich zu Wort. Der Konsens: Der Einzelhandel allein wird es nicht richten mit der Belebung der Innenstadt und auffallend oft fallen die Worte “Uni” und “Kultur” in diesem Zusammenhang. Insbesondere das Stapeltor ist eine Supersache, da sind sich an diesem Abend alle einig.

Gib mir Soziokultur und Techno-Beats!

Als alter Eschhaus-Veteran lache ich ein wenig in mich hinein. Nach all den Jahren hat Duisburg doch noch die Vorzüge eines soziokulturellen Zentrums entdeckt und es dämmert, dass ein solches Zentrum ein Standortfaktor ist. “Besser spät als nie”, denke ich und freue mich für die Aktivisten, die sich das Zentrum erarbeitet haben. Nehmen wir die rund 35 Jahre, die seit der Schließung des Eschhaus vergangen sind einfach als sehr lange Pause (die Episode “Hundertmeister” klammere ich hier mal aus) und bleiben positiv.

Auch dem immer treuen Mono-Fabrik-Djäzz-Gänger in mir wird ein Grund zum Lachen geschenkt. Befeuert durch Christian, dem Vertreter des Stapeltors, wird ein Techno-Club im Herzen der Stadt plötzlich gemeinsam schmerzlich vermisst. “Mal gucken, wie die frischgebackenen Club-Culture-Freunde der Stadt das Ordnungsamt auf den neuen Kurs einnorden werden”, geht es mir durch den Kopf.

“Cornern”, eine in den Metropolen beliebte Kulturtechnik wird durch Christian ebenfalls ins Feld geführt. In Duisburg kaum möglich, beklagt Christian. Eine weitere Herausforderung für eine Stadt, die sich mit einer rechtlich wackeligen weiträumigen Alkoholverbotszone dereinst überregional einen Name gemacht hat. 

Ein Liebesbeweis

Wie Ernst es die Verantwortlichen mit der neuen Liebe zur Kultur und dem Nachtleben meinen, könnten sie vielleicht schon bald unter Beweis stellen. Nicht nur Eingeweihte wissen, dass ein zartes Pflänzchen der Kultur und des Tanzes in unmittelbarer City-Nähe knospen will. Ein ehrliches “Was können wir für euch tun, damit das Vorhaben gelingt”, wäre ein echter Liebesbeweis. Dann gäbe es mit dem Stapeltor und dem (bald eröffnenden) Bora sogar einen dritten Anlaufpunkt mitten im Zentrum. Duisburger müssten sich an eine solche nie gekannte Vielfalt erst langsam gewöhnen.  

Kulturmeilen sammeln

Den Moderator des Abends trägt es derweil ein wenig aus der Kurve. Wortreich entwickelt er die Vision einer ganzen Kulturmeile, die auf dem Heinrich-König-Platz [sic] und der Königstraße entstehen soll. Ich lasse mich kurz mitreißen und vor meinem geistigen Auge hetzen erlebnishungrige junge Studenten von Vernissage zur Finissage, nehmen noch einen Poetry-Slam mit, schlürfen bunte Cocktails in einer angesagten Bar, um dann bis in den frühen Morgen ihrer Körper in einem Club auf die Party zu bringen. Tagsüber kaufen sie dann natürlich pflichtschuldigst aus Dankbarkeit die Geschäfte leer.

Das ist natürlich Quatsch und nachdem ich mich von dem Wortgeklingel erholt habe, verlangt es mich nach deutlich kleineren Brötchen, die tatsächlich auch geliefert werden könnten.

Der Boulevard

Denn ich lebe in Steinwurfnähe eines Boulevards. Die Friedrich-Wilhelm-Straße. Die Älteren erinnern sich: Verbreiterung der Gehwege, öffnen des Kantparks durch das Abholzen von Bäumen und dann kommt die Gastronomie wie von selbst und wir tummeln uns an den Tischen der Cafés. Das war der Plan, so sollte es sich entwickeln. Es ist nicht passiert. Ich kann das jeden Tag kontrollieren. Meine Skepsis ist begründet.

„Mensch Andy, du bist doch sonst auch kein Hans-guck-in-die-Luft. Jetzt sei doch mal ‚n bisken reehalistisch!“ [Werner Kampmann]

Der OB hat aber gute Nachrichten für den Skeptiker. Es ist Geld da, um das Personal für die Stadtentwicklung aufzustocken.  Neue Quartiersmanager nehmen aktuell ihre Arbeit auf. Auch gut: Die Veranstaltung und die im Vorfeld stattgefundenen Workshops scheinen ein Beweis dafür zu sein, dass tatsächlich an einer Vernetzung der beteiligten Personen und Institutionen unter Einbeziehung interessierter Bürger gearbeitet wurde.

Man könnte daher liefern. Konkret und realistisch. Vielleicht sogar kurzfristig. Mir fallen ein paar Dinge dazu ein. Ein Supermarkt mit Sortimentsbreite, denn so einen gibt es in der City nicht mehr. Oma Hans und ich könnten dann zu Fuß wieder einkaufen gehen. Das spart Abgase und nach dem Einkauf nehmen wir draußen noch ein Getränk und leben unser urbanes Leben. Wer ruft EDEKA oder REWE mal an?

Wie sieht es mit einer “Fixerstube” aus? Auch die Fixer sind Bürger dieser Stadt und eine “Fixerstube” würde das Elend lindern. 

Mehr Transparenz wäre schön. Zum Beispiel bei Thema Leerstand. Um den Leerstand zu bekämpfen, braucht es den guten Willen der Vermieter. Bestimmt ein schwieriges Geschäft. Ein paar Zahlen zu den durch die Stadt kontaktierten Vermietern und den Ergebnissen würden zeigen, dass tatsächlich etwas passiert.

Wir sind hier nicht in Seattle, Dirk

Duisburg wird nie die Stadt werden, in der die 100 registrierten Hipster in Wohlfühlatmosphäre ihren Café trinken. So wird es niemals sein. Mir würden Babyschritte reichen, die das Leben in der City nur ein wenig attraktiver machen. Das ist nicht zuviel verlangt. Und ich will meinen Beitrag leisten. Beim nächsten Workshop bin ich dabei (und werde berichten). 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4 Kommentare

  1. aus meiner Sicht hilft da nur: in die Hände spucken, anfangen und (zunächst) kleine Brötchen backen;
    ich bin 71 Jahre alt und kann mich nur an zwei Hotspots erinnern, auf die man früher angesprochen wurde, sobald man sich als Duisburger geoutet hatte:
    den ‘Goldenen Anker’ (bundesweit) und das ‘Old Daddy’ (eher beschränkt auf den Großraum Ruhrgebiet)
    Achim

    • Hallo Achim,

      sehe ich auch so. Leider glauben nicht sehr viele Menschen daran, dass diesmal konkretere Schritte aus den Treffen/Workshops folgen. Ich will aber diesmal – sehr verhalten – optimistisch sein.

      Schippy

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