Fronleichnam-Doppelschlag: Lambrini Girls mit Eisenpimmel

Spaßbefreite Zone vs. Spaß ohne Grenzen

Was schreibt man zu zwei Konzerten, die nichts miteinander gemein haben? Am besten gar nichts? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich bin nicht hier, um Dinge richtig zu machen.

Da sind auf der einen Seite Eisenpimmel, die mal entstanden sind, weil man ironisch gebrochen auf alle den Prollpunk in den 90er-Jahren reagieren wollte, aber konsequenterweise auch etwas zu dem Teil geworden sind, von dem man sich abgrenzen wollte. Auf der anderen Seite Lambrini Girls, die sich nach billigem Cider benennen und auf einer Mission unterwegs sind. Wer sich die Mission im Netz anguckt, kommt auch schnell zu dem Schluss, dass sie sich im Krieg befinden. Gegen sogenannte TERFs und deren radikalen Feminismus, der Menschen mit Transidentitäten ausschließt und sich dabei auf biologische Tatsachen beruft. Gegen prollige Männer in Handwerksberufen, die zu verschiedenen Formen von Gewalt neigen. Da ist ein ganz klarer Erziehungsauftrag im Vordergrund. So agieren sie auch im Stapeltor: Das Publikum wird einbezogen. Wenn die Sängerin will, dass sich alle auf die Knie begeben, dann macht das willige Publikum mit. Das ist bei Eisenpimmel nicht anders, wenn Bärbel Huka-Tschaka Töff Töff anstimmt, dann wird sich an die Schultern gefasst. Allerdings strahlt man dabei bierselig und der Eigendynamik wird Raum gegeben. Bei den britischen Mädels gibt es keinen Humor. Es wirk wie eine totalitäre Choreografie, eine Geste der Dominanz. So muss auch ein Awareness-Team darauf aufpassen, dass sich jeder gefälligst wohl fühlt. Die deutlich jüngeren Gäste im Stapeltor tun dies in freudloser Farbenvielfalt. Ausgelassenheit ist auch fehl am Platz, auch im Safespace. Im Don‘t Panic hingegen herrscht vom ersten Takt an, ausgelassene Freude. Da geht es ganz schön zur Sache und ich wundere mich, dass sich da vorne niemand verletzt. Männer, Frauen und wer auch immer geben ganz schön Gas. Dass sich da niemand verletzt! Siggi Katlewski gibt den Rat, wie mit einem Presslufthammer lieber nach oben zu springen und lässt es damit auch gut sein. Das Konzept der Eigenverantwortung funktioniert und niemand im Laden trägt rote Blinklichter und kontrolliert das Publikum.

Eisenpimmel halten den Menschen einen Spiegel vor, lachen über sich und die anderen. Wenn sie davon singen, dass der Staat abhauen soll, dann betont Siggi, dass damit der Staat von 1996 gemeint ist, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Die britischen Mädchen fordern aber dazu auf, den Staat zu hinterfragen, und zwar angesichts der Abschlachtung von Kindern durch Israel. Und das können man auch angesichts der Deutschen Geschichte. Diejenigen, die sich hinknien, wenn es die Sängerin will, bejubeln das. Die anderen schweigen betreten, sind froh, dass die Ansage nicht noch schlimmer geworden ist oder sie sind gar nicht erst da. Ich weiß, hier will ich nicht sein. Mit mir verlässt ein älteres Ehepaar kopfschüttelnd den Laden. Ich fühle mich wirklich schlecht. Mit dem Fahrrad fahre ich durch Hochfeld nach Hause. Ein kleines Mädchen, so drei bis vier Jahre alt, starrt mich hasserfüllt an. Ich frage mich, was los ist, ob das wirklich passiert ist. Einen Tag später bin ich bei all den Menschen, die so anders sind: Man weiß hier genau, dass man keine Kriege verhindert, wenn man auf einem Konzert dagegen predigt. Man ist sich trotzdem gewiss, dass die Welt nicht in Ordnung ist, aber man verlässt das Konzert in der Gewissheit, sie exakt an diesem Abend zu keinem schlechteren Ort gemacht zu haben.

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