Ein Buch, das in seiner Analyse der Probleme öffentlicher Kommunikation so klug und überzeugend ist, dass es mich mehrfach innehalten lässt, um über eigene festgefahrene Kommunikationsmuster nachzudenken. Denn wie so oft wiederholen sich immer die gleichen Debatten, in denen ich mich im Recht wähne, die aber hoffnungslos in der eigenen Echokammer endlos widerhallen. Auch das Unbehagen, das mich immer wieder angesichts meiner sozialen Blase ergreift, bekommt hier ein theoretisches Fundament. Wie schnell mich beispielsweise Bilder vom lachenden Laschet anöden oder auch die Regenbogendebatte rund um die Fußball-EM in ihrem bildgewaltigen Internet-Empörungssturm einfach nur noch abschalten lassen, all diese Phänomene lassen sich nun mit Bernd Stegemann rechtfertigen. Das diffuse Unwohlsein angesichts der Kulturkämpfe und der Empörungskultur bekommt hier Worte. Populismus auf der einen Seite und Identitätspolitik auf der anderen Seite, das sind die beiden Lager, die über den „Diskurs“ bestimmen. In Anführungsstrichen deswegen, weil es eigentlich nur um die Bedingungen geht, die von beiden Seiten definiert werden. Grenzen zwischen Meinungen und Tatsachen werden beinahe willkürlich nach eigenen Machtinteressen verschoben. So bestimmt die jeweilige Seite jeweils die Regeln, so dass keine gemeinsame offene Öffentlichkeit besteht. Auf diese Weise wird man aber den komplexen Herausforderungen nicht Herr, sondern man verliert sich in Rechthaberei, ohne dadurch einen Widerspruch zu lösen oder einen gesellschaftlichen Fortschritt zu erreichen. Und der ist dringend notwendig. Die Probleme des Anthropozäns sind dermaßen herausfordernd, dass wir es uns nicht erlauben können, dass durch solche Grenzverschiebungen Tatsachen zu Meinungen verkommen und wir billigend in Kauf nehmen, dass sich Wissenschaften rechtfertigen müssen. Dazu gehört nach Bernd Stegemann eine demütigere Haltung und die Bereitschaft der Welt mit Fragen zu begegnen, anstatt sie mit Antworten festzumauern. Die Ökologie gerät damit zum Transzendenten, dem man sich gemeinsam als Gesellschaft nähern muss.
Allerdings ist mir persönlich nicht klar, wie man eine Gesellschaft als Ganzes in so eine offene Öffentlichkeit, die eigentlich den Spielregeln einer deliberativen Öffentlichkeit folgt, bringen kann. Die Verblendungen durch die neoliberale Ideologie, die bestens mit political Correctness und Cancel Culture auf der einen und Populismus auf der anderen Seite harmonieren, sind zu massiv, um sie tatsächlich anzugehen. Leichter ist es in den Schützengräben im endlosen Stellungskrieg zu verharren, weil die Sucht nach Anerkennung und die Angst vor Ächtung durch falsche Fragen oder Akzeptanz des Anderen zu groß sind.
Vielleicht ist die Lektüre dieses herausragenden Buches wirklich schon mal ein Anfang für einen neuen Anfang.
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